(ots) - Helmut Schmidt (93) gilt laut einer Forsa-Umfrage
für HÖRZU als das größte lebende Vorbild der Deutschen. HÖRZU traf
den Altbundeskanzler und seine neue Lebensgefährtin Ruth Loah Ende
Juli in seinem Ferienhaus am Brahmsee. Im Exklusiv-Interview
analysiert Schmidt die Gründe für seine Vorbildhaftigkeit ("Ich habe
mein Leben lang Klartext geredet, war anständig und fleißig - aber
natürlich spielen auch die weißen Haare eine Rolle.") und definiert
erstmals jene Moral, nach der er gelebt hat: "Fast alle Philosophien
und alle Regeln und alle Religionen der Welt kennen die Goldene
Regel. Sie sagt: 'Handle so, wie du möchtest, dass andere Leute dir
gegenüber handeln.' Die Goldene Regel finden Sie im Islam, bei den
alten Griechen, in der Stoa, bei den alten Römern, aber auch im
Christentum."
Eine, die laut Schmidt derzeit nicht nach der Goldenen Regel
handelt, ist Angela Merkel. Der 93-Jährige übt scharfe Kritik an der
Kanzlerin: "Merkel regiert nicht vorbildhaft in der Euro-Krise, hat
den Pragmatismus übertrieben. Und es ist ihr nicht bewusst geworden,
dass ihre Art zu regieren und ihre Art zu reagieren sie und damit das
wiedervereinigte Deutschland in eine Art von Schlüsselposition
gebracht hat gegenüber anderen europäischen Nachbarn, eine Art von
Schlüsselposition, die mit einem historisch gerechtfertigten Argwohn
betrachtet wird. Es war nicht vorherzusehen, dass Deutschland 20
Jahre nach der Wiedervereinigung plötzlich die wirtschaftlich
bedeutendste Macht Europas sein würde. Das ist auch nicht Merkels
Verdienst. Aber sie hat dieses Verdienst in Anspruch genommen, und
sie hat es ein bisschen zu weit in Anspruch genommen."
Die größten Probleme Deutschlands sieht Schmidt nicht in der
Ãœberalterung, der Migration und der Euro-Krise, sondern in der
"Bewältigung der Erinnerung": "Die Deutschen werden noch im ganzen
21. Jahrhundert vor dem Problem stehen, dass sie es waren, die in den
Augen der Franzosen, Polen, Italiener, Holländer, Dänen, Tschechen
und all unserer europäischen Nachbarn den Zweiten Weltkrieg gewollt
und geführt und verloren haben. Und die sechs Millionen jüdischer
Mitbürger ums Leben gebracht haben. Es ist weniger der Imperialismus
Adolf Hitlers, der den Argwohn gegenüber den Deutschen
aufrechterhalten wird, als vielmehr der fabrikmäßige Mord in
Auschwitz. Es gibt andere Fälle von Völkermord, aber es gibt keinen
Fall von dieser Größenordnung. Das spezifische Problem der Deutschen
ist die Bewältigung der Erinnerung - das bewusste Leben damit."
In Talkshows indes will und wird Helmut Schmidt auch weiterhin
nicht die Lage der Nation analysieren: "Ich bin noch nie in meinem
Leben in einer Talkshow gewesen, denn Talkshows zu viert oder fünft
sind eine Verführung zur Oberflächlichkeit. Die Tatsache, dass dort
fünf Leute und ein Talkmaster miteinander reden, zwingt dazu, dass
einer von ihnen - wenn er Glück hat, so viel Zeit zu bekommen - nach
spätestens drei Minuten aufhören muss zu reden. Aber was kann man
schon in drei Minuten sagen? Entweder grundlegende Weisheiten, was
selten vorkommt. Oder oberflächliche Bemerkungen, was die Regel ist.
Deshalb bin ich ein Gegner von Talkshows. Ich war höchstens bei
Interviews mit maximal drei Personen."
Das vollständige Interview mit Helmut Schmidt erscheint in HÖRZU
am 10.8.2012.
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