(ots) - Neue Osnabrücker Zeitung, Donnerstagausgabe vom
23. August 2012, Nr. 197
Guter Stil, mangelnde Substanz
Als sozialistischer Präsident Frankreichs hat François Hollande es
nicht leicht: Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Europäischen Union
steuert auf eine Rezession zu, die Staatsschuldenkrise in Europa
zwingt die politischen Akteure mehr denn je zum Sparen - und
Gewerkschaften sowie die geplagte Unter- und Mittelschicht erwarten
die Erfüllung Hollandes sozialer Versprechungen. Dennoch wäre es
möglich, in diesem engen Spielraum politisch stark zu agieren.
Hollande ist dies in den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit nicht
gelungen. Er pflegt zwar einen angenehmen Stil, offenbart aber einen
Mangel an Substanz.
Verglichen mit Vorgänger Nicolas Sarkozy, verkörpert Hollande
tatsächlich ein gutes Stück Normalität im Auftreten. Sein
Selbstbewusstsein schlägt nicht in Arroganz um, seine Zugänglichkeit
und Diskussionskultur zeichnen ihn aus. Auch ist er seiner
Wählerschaft entgegengekommen, indem er sich und dem Kabinett eine
deutliche Gehaltskürzung und Vermögenden und Erben höhere Abgaben
verordnete. Doch beim wichtigsten Versprechen bleibt der Mann im
Élysée-Palast sträflich eine Antwort schuldig: Wie will er das 33
Milliarden Euro große Haushaltsloch im Jahr 2013 stopfen? Das Warten
auf Hollande hält an.
Ende September muss der Präsident den Etat in aller Klarheit
vorlegen. Wenn er in der Stunde der Wahrheit keinen knallharten
Sparkurs aufzeigt, dürfte die Unzufriedenheit mit seiner Amtsführung
wachsen.
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