(ots) - 100 Tage nach dem Eurovision Song Contest (ESC) in
Baku ist die internationale Aufmerksamkeit für Aserbaidschan deutlich
abgekühlt und das Regime geht wie gewohnt rigoros gegen kritische
Journalisten vor. Während Reporter unter fingierten Anschuldigungen
verhaftet, Gerichtsprozesse verschleppt und Gesetze verschärft
werden, investiert die Regierung im Ausland hohe Summen, um das Bild
eines modernen, offenen Landes zu vermitteln.
Reporter ohne Grenzen fordert deutsche und internationale
Politiker dazu auf, auf der Einhaltung internationaler
Menschenrechtsverträge zu bestehen und diese zur Bedingung für
politische Zusammenarbeit mit Aserbaidschan zu machen. Themen wie
Menschenrechte und Pressefreiheit dürfen wirtschaftlichen Interessen
nicht untergeordnet werden. Journalisten müssen Verflechtungen
zwischen Politik, PR-Agenturen und Lobbyisten aufdecken und dürfen
sich in der Berichterstattung nicht politischem Druck beugen, so die
Organisation.
Wie groß der Einfluss internationaler Partner auf die
aserbaidschanische Regierung ist, zeigte die symbolträchtige
Freilassung des Bloggers Bachtijar Hajijew zwei Tage vor dem Besuch
der US-amerikanischen Außenministerin Hillary Clinton am 6. Juni
(http://bit.ly/fZl16Q). Er saß 15 Monate lang im Gefängnis, nachdem
er in sozialen Netzwerken zum Protest gegen das Regime aufgerufen
hatte.
In Deutschland, wo die Medien vor dem ESC ausführlich über
Verletzungen der Pressefreiheit in Aserbaidschan berichtet hatten,
bemüht sich das Regime intensiv darum, sein Image aufzubessern -
unter anderem mit Hilfe der Berliner PR-Agentur Consultum
Communications. Dass der Beiratsvorsitzende dieser PR-Agentur, der
ehemalige ZDF-Intendant Dieter Stolte, gleichzeitig als
Beiratsmitglied der Nachrichtenagentur dapd deren redaktionelle
Unabhängigkeit garantieren soll, hat Reporter ohne Grenzen mit
Verwunderung zur Kenntnis genommen. Auch eine Anzeige im
Nachrichtenmagazin Der Spiegel, die auf zwei Seiten den "kraftvollen
Modernisierer" Aserbaidschan pries, sorgte kürzlich für Irritationen.
Der Spiegel, der zuvor mehrfach über Menschenrechtsverletzungen in
Baku berichtet hatte, erhielt dafür Medienberichten zufolge rund
110.000 Euro (http://bit.ly/NKNcuk).
Wie wenig die aserbaidschanische Regierung Presse- und
Meinungsfreiheit achtet, macht sie immer wieder unverhohlen deutlich.
Nur fünf Tage nach dem ESC, am 31. Mai, rief Präsidentenberater Ali
Hasanow zum "öffentlichen Hass" gegen all jene auf, die
internationale Berichterstatter auf Menschenrechtsverletzungen
hingewiesen hatten (http://bit.ly/JUgEwv). Präsident Ilcham Alijew
bezeichnete die Aktivisten bei einer Regierungssitzung am 11. Juli
als "Verräter der Nation" (http://bit.ly/2hExKK).
Seit Mitte Juni schränken neue Gesetze die Pressefreiheit in
Aserbaidschan stark ein. Sie erlauben es aserbaidschanischen Firmen,
Informationen über Besitzer und Aktionäre geheim zu halten und
garantieren dem Präsidenten und seiner Frau gleichzeitig lebenslange
Immunität vor Strafverfolgung. Die Gesetzänderungen folgten auf
mehrere Artikel der investigativen Journalistin Khadija Ismayilova,
die über lukrative Auslandsgeschäfte der Präsidentenfamilie und
Korruption in der Staatsspitze berichtet hatte.
Ismayilova wurde im Frühjahr mit einer beispiellosen
Schmutzkampagne überzogen (http://bit.ly/wWPUay) und versucht seither
in einer Reihe von Gerichtsprozessen, die Verantwortlichen zur
Rechenschaft zu ziehen - bisher vergeblich. Ebensowenig aufgeklärt
ist der brutale Ãœberfall auf den Reporter Idrak Abbasow, der im April
bewusstlos geschlagen wurde, als er Zwangsräumungen in der Nähe von
Baku dokumentierte (http://bit.ly/IouRgm).
Mindestens vier Journalisten sitzen derzeit in Aserbaidschan wegen
ihrer Arbeit im Gefängnis. Am 21. Juni wurde der 52-jährige
Journalist Hilal Mammadow festgenommen und der Spionage für den
iranischen Geheimdienst angeklagt (http://bit.ly/KXSaNj). Ihm drohen
bis zu zwölf Jahre Gefängnis. Wenige Tage zuvor, am 12. Juni,
verhaftete die Polizei den Fotografen und Videoblogger Mehman
Husejnow (http://bit.ly/KEqr3p). Der 23-Jährige galt als das "erste
Opfer nach dem ESC". Er wurde einen Tag später wieder freigelassen,
ist aber nach wie vor wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt
angeklagt.
Vom 17. bis zum 19. September lädt das International Press
Institute, ein Zusammenschluss leitender Redakteure weltweit, zur
Konferenz "Öl, Gas und Medien" nach Baku ein (http://bit.ly/NKO6qF).
Zu den Referenten gehören unter anderem der aserbaidschanische
Energieminister und der Chef der staatlichen Ölfirma Socar, nicht
jedoch kritische Journalisten aus Aserbaidschan. Reporter ohne
Grenzen ruft zu einer ausgewogenen Programmgestaltung bei solchen
Veranstaltungen auf. Den aserbaidschanischen Präsidenten Ilcham
Alijew, der das Grußwort zur Konferenz spricht, zählt ROG zu den
größten Feinden der Pressefreiheit weltweit.
Weitere Informationen finden Sie unter
www.pressefreiheit-fuer-baku.de
Den ROG-Bericht "Zwischen Staatskontrolle und Selbstzensur" vom
24. Mai 2012 finden Sie unter: http://bit.ly/MtCCmG
Pressekontakt:
Reporter ohne Grenzen
Ulrike Gruska
Pressearbeit
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