(ots) - Kriminelle mit Menschenwürde
Als der evangelische Pfarrer Uwe Holmer Anfang 1990 Erich Honecker
für zehn Wochen Asyl gewährte, erntete er viel Unverständnis, auch in
seiner eigenen Kirchengemeinde. Als eine noch größere Provokation
muss es erscheinen, dass elf Ordensfrauen in Belgien die ehemalige
Frau des belgischen Kindermörders Marc Dutroux aufnehmen wollen.
Immerhin geht es um eine Verbrecherin, die zwei Mädchen in einem
Kellerversteck qualvoll verhungern ließ. Manche hätten Michelle
Martin deshalb gar die Todesstrafe, viele aber zumindest eine längere
Haftzeit gewünscht.
Aus der Sicht der Opfer und ihrer Angehörigen ist es verständlich,
dass sie sich über die frühzeitige Entlassung und die Aufnahme der
52-Jährigen hinter hohen Klostermauern heftig empören. Schließlich
mussten sie durch die Hölle gehen.
Und doch haben die Klarissinnen mit ihrer unpopulären Entscheidung
mutig und richtig gehandelt. Zweifellos hätten es sich die betagten
Ordensfrauen leichter und bequemer gemacht, wenn sie die Bitte um
Aufnahme abgelehnt hätten. Drohungen wären ausgeblieben,
Sicherheitsvorkehrungen unnötig gewesen. Ebenso wenig hätte es
Missverständnisse gegeben und Vorwürfe, Komplizinnen des Bösen oder
Zufluchtsort für Pädophile zu sein.
Doch die Schwestern billigen oder verharmlosen keineswegs das
ungeheure Leid, das geschehen ist. Sie weisen vielmehr darauf hin,
dass auch eine Kriminelle Menschenwürde besitzt und kein Monster ist.
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