(ots) - Niemand muss nach dieser Rede auf die Knie gehen.
Barack Obama, 2008 der Ãœberflieger im globalen Rhetoriker-Wettstreit
um das Gute, ist hart gelandet. Aus dem Handelsreisenden in Sachen
Hoffnung ist ein gereifter Staatsmann geworden, der seine
Überzeugungen behalten hat aber um seine Beschränkungen weiß. Anstatt
erneut auf das Dach der Träumer zu steigen, ruft der Präsident
Amerika zur freiwilligen Aufräumarbeit in den Keller des gemeinsamen
Hauses, das an vielen Stellen einer hoch verschuldeten, windschiefen
Bruchbude gleicht. Dort wartet ein Problemberg, der über Jahrzehnte
gewachsen ist. Ihn Schicht für Schicht abzutragen, wird Schweiß,
Tränen und Zeit kosten, verspricht Obama. Aber kein Blut. Die
präsidiale Nüchternheit, mit der Amerikas 44. Präsident vor das Volk
trat, um mehr Geduld bat und zum gemeinsamen Ärmelhochkrempeln
aufrief, kann neue Zuversicht erzeugen bei denen, die sich vor vier
Jahren haben blenden lassen von dem, was machbar ist. Sie muss es
nicht. Obamas Angebot für eine zweite Amtszeit - Investitionen in
Infrastruktur, Forschung und Bildung, Energie-Unabhängigkeit in
dosierten Schritten, Stärkung des Industriestandortes, Steuerreform
zu Lasten der Superreichen, Ertüchtigung der sozialen
Sicherungssysteme - mag aus europäischer Sicht wie Alltagsgeschäft
klingen. Aber es ist dringend geboten. Und realistischer als alles,
was der republikanische Herausforderer Mitt Romney bislang zu bieten
hat. Obama verschreibt dem Land eine Rosskur, bei der alle
zwischendurch Magengrimmen kriegen. Romney will die Reichen vor
Schmerzen verschonen. Leiden sollen die Schwachen. Der Kontrast für
den Wahltag am 6. November liegt also klar auf der Hand. Aber reicht
das? Die ökonomische Wirklichkeit mit ihren trotz leichter
Entspannung immer noch widrigen Arbeitsmarktdaten, der auf
Gehirnwäsche abzielende Lügen-Tsunami von Fernsehspots, finanziert
von milliardenschweren Obama-Hassern, all das hat nur eine Kunstpause
eingelegt. Ab heute stehen sich die verfeindeten Lager mit noch mehr
Entschlossenheit gegenüber. Ausgang völlig offen.
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