PresseKat - Verbraucherorganisationen verklagen Iberia wegen des Chaos am Flughafen Madrid-Barajas

Verbraucherorganisationen verklagen Iberia wegen des Chaos am Flughafen Madrid-Barajas

ID: 71865

Zur Weihnachtszeit Ende Dezember 2008 bis Mitte Januar 2009 herrschten am spanischen Flughafen Madrid-Barajas chaotische ZustĂ€nde. Fast alle FlĂŒge waren verspĂ€tet. Tausende Flugpassagiere waren von Annullierungen, Umbuchungen und Überbuchungen betroffen. Nun untersucht die spanische Regierung die VorfĂ€lle und hat Verfahren gegen die Fluggesellschaft Iberia eingeleitet. Mehrere Verbraucherorganisationen bereiten Sammelverfahren gegen die Iberia vor.

von Yolanda Miguel Muñoz (Netzwerk Pro-V, www.reise-recht-wiki.de)

(firmenpresse) - Bummelstreik, Ausstand, Grippewelle, Schneefall, Nebel - hinter den VorfÀllen am spanischen Flughafen Madrid-Barajas Anfang Januar 2009 mit VerspÀtungen, Flugannullierungen und dem chaotischen Wochenende des 9. Januar 2009, stehen viele Fragezeichen. Betroffen waren vor allem FluggÀste der Fluggesellschaften Air Europa, Alitalia, EasyJet, Spanair und Iberia.

Der Reihe nach: Die Arbeitskonflikte der spanischen Fluggesellschaft Iberia und ihrer Mitarbeiter schwelten bereits seit Anfang Dezember 2008. Dabei geht es primĂ€r um die geplante Fusion der Iberia und der British Airways und diesbezĂŒgliche Arbeitsplatzgarantien und Gehaltskonditionen. Mitte Dezember 2008 begannen Teile des Bodenpersonals und des Kabinenpersonals der Iberia in Ausstand zu treten. Dazu gesellte sich die Auseinandersetzung der Iberia mit der einflussreichen Pilotengewerkschaft SEPLA (Sindicato Español de Pilotos de LĂ­neas AĂ©reas). Die Situation war konfus und die GrĂŒnde diverser FlugverspĂ€tungen und Annullierungen sind immer noch nicht geklĂ€rt. Offiziell wurde von der Pilotengewerkschaft SEPLA kein Streik erklĂ€rt. Iberia warf der Gewerkschaft vor, ihre Mitglieder zu einem Bummelstreik aufgerufen zu haben, ohne diesen offiziell anzukĂŒndigen.

Ein Bummelstreik bedeutet, dass die Angestellten lediglich Dienst nach Vorschrift und diesen besonders langsam ausfĂŒhren. Iberia hat inzwischen gegen 41 Piloten Disziplinarverfahren eingeleitet und verklagte die SEPLA auf 13 Millionen Euro Schadensersatz. Iberia teilte spanischen Medienberichten zufolge mit, dass es Beweise gebe, die absichtliche Verzögerungen durch Piloten bekrĂ€ftigten.

ZusĂ€tzlich zu den Problemen aus dem Bummelstreik der Piloten, meldeten sich Ende Dezember mysteriöser Weise 8 der 24 Mitarbeiter der LuftraumĂŒberwachung und Flugsicherung der Tagesschicht am Flughafen Madrid-Barajas „krank“. Offiziell hieß es, dass eine Grippe um sich gegriffen habe. Dadurch mussten zwei der vier Start- und Landebahnen des Flughafens Madrid geschlossen werden. Dass derartige Auseinandersetzungen bei dem Ansturm von Urlaubern aus ganz Europa ĂŒber die Weihnachtsfeiertage, das Neujahrsfest und ĂŒber das Fest der Heiligen Drei Könige zu erheblichen Problemen fĂŒhren wĂŒrden, hĂ€tte allen Beteiligten klar sein mĂŒssen. Spanien ist eines der wichtigsten UrlaubslĂ€nder der Welt. Knapp 60 Millionen Touristen besuchen die iberische Halbinsel jedes Jahr. Der Tourismussektor macht ĂŒber 11% des spanischen Bruttosozialproduktes aus. Und der Flughafen Madrid-Barajas mit dem neuen Terminal T-4, welches hauptsĂ€chlich von der Iberia genutzt wird, ist der wichtigste Flughafen Spaniens.





Und so kam es, wie es kommen musste: Mit dem Anstieg der Passagierzahlen zur Weihnachtszeit mehrten sich die FlugausfĂ€lle, Annullierungen und VerspĂ€tungen. Über Neujahr nahm das Chaos seinen Lauf. Jeden Tag reihten sich weitere Flugpassagiere in die Schlangen vor den Informationsschaltern der Iberia. Die spanische Verbraucherzentrale OrganizaciĂłn de Consumidores y Usuarios (OCU) sprach von ĂŒber 66.000 betroffenen Flugpassagieren bei ĂŒber 1.000 Flugannullierungen und 6.000 FlugverspĂ€tungen. Eine Flugreise ĂŒber Madrid-Barajas glich in jenen Tagen einem Albtraum.

Es kam jedoch noch schlimmer. Zu den bereits vorhandenen chaotischen VerhĂ€ltnissen und dem angefallenen RĂŒckstau gestrichener, annullierter und verspĂ€teter FlĂŒge, gesellte sich am inzwischen berĂŒhmt gewordenen „weißen“ Freitag, den 9. Januar 2009, Schnee. Das Tief „Tine“ aus Skandinavien brachte- wie im Übrigen vorhergesagt- teils heftigen Schneefall mit sich. Und als ob das noch nicht genug wĂ€re, kam noch dichter Nebel hinzu. Aufgrund des Nebels konnten Maschinen erst mit stundenlanger VerspĂ€tung landen. Damit brach am Flughafen Madrid-Barajas am zweiten Freitag des Jahres alles zusammen. Die staatliche spanische Flughafenbetreibergesellschaft AENA (Aeropuertos Espanoles y Navegacion Aerea), die auch fĂŒr die FlugĂŒberwachung und Flugsicherheit zustĂ€ndig ist, sieht sich heftiger Kritik ausgesetzt. Der Flughafen Madrid war auf den Schneefall in keinster Weise vorbereitet. FĂŒr den gesamten Flughafen soll ein SchneerĂ€umfahrzeug zur VerfĂŒgung gestanden haben.

Endlose Schlangen verunsicherter, verzweifelter und verĂ€rgerter FluggĂ€ste. Nach stundenlangem Anstehen an den Informationsschaltern gaben die Mitarbeiter der Iberia dann vielen Betroffenen lediglich die Auskunft, dass ein Weiterflug erst am nĂ€chsten Tag zu unbestimmter Zeit stattfinden wĂŒrde. Die meisten FluggĂ€ste erhielten Tag fĂŒr Tag ein Stand-by-Ticket, was nichts weiter als die Hoffnung auf einen Platz im Flugzeug bedeutete. Viele Passagiere berichteten, dass das Schlimmste die Hilflosigkeit war. Von Seiten der Iberia wurden den wenigsten FluggĂ€sten genaue Informationen ĂŒber den Weiterflug, etwaige Unterkunftsmöglichkeiten und Möglichkeiten zur Weiterreise mitgeteilt. Die fehlenden Informationen verunsicherten und verĂ€rgerten die Urlauber und Reisenden zusĂ€tzlich. Dies fĂŒhrte bei einigen Flugpassagieren zu frustrierten Auseinandersetzungen und Diskussionen mit den Mitarbeitern der Iberia und des Flughafens. Am Wochenende des 09. Januar 2009 mussten Einheiten der Guardia Civil, der spanischen Polizei, eingreifen, um die GemĂŒter zu beschwichtigen. Nach Augenzeugenberichten gingen die PolizeikrĂ€fte wenig behutsam vor. Die Einheiten der Guardia Civil sollen wartende Flugpassagiere Ă€ußerst rĂŒde zurĂŒckgewiesen haben.

Der spanische zustĂ€ndige Beamte Fernando Palao, Chef des SecretarĂ­a General de Transportes, welches wiederum in das Ministerium fĂŒr Infrastruktur und Entwicklung eingegliedert ist und die VorfĂ€lle am wichtigsten Flughafen Spaniens offiziell untersucht, deutete in öffentlichen Bekundungen an, dass er AnsprĂŒche von Flugpassagieren aus Annullierungen und VerspĂ€tungen der FlĂŒge auf Grund des Schneefalls und des Nebels und der rechtlichen Qualifizierung als höhere Gewalt fĂŒr „schwer durchsetzbar“ hĂ€lt. Rechtlich sind Nebel und Schneefall, die zu chaotischen ZustĂ€nden am Flughafen fĂŒhren, grundsĂ€tzlich als höhere Gewalt, sog. „Force Majeure“, einzustufen. Das bedeutet fĂŒr betroffene FluggĂ€ste, dass AnsprĂŒche auf Ausgleichszahlungen nicht durchgesetzt werden könnten.

Ganz so einfach scheint die Sach- und Rechtslage jedoch nicht zu sein. So teilte die Ministerin fĂŒr Infrastruktur und Entwicklung Magdalena Álvarez, und damit direkte Vorgesetzte Palaos, mit, dass eine Untersuchung eingeleitet worden sei, die klĂ€ren solle, ob das Chaos am Flughafen Madrid-Barajas am Wochenende des 9. Januar 2009 auf die „NichtfunktionsfĂ€higkeit der Verwaltung oder auf Wetterbedingungen“ zurĂŒckzufĂŒhren sei. Das betrifft jedoch nicht die gestrichenen FlĂŒge und großen VerspĂ€tungen auf Grund des Ausstandes der Piloten und anderer Mitarbeiter der Iberia. Hier gibt es noch kein Ergebnis der laufenden Untersuchung des SecretarĂ­a General de Transportes. Palao nannte die Situation „konfus“.

Die Ergebnisse sind fĂŒr betroffene FluggĂ€ste, die ihre Rechte und AnsprĂŒche durchzusetzen suchen, von großer Bedeutung. Die VorfĂ€lle von Madrid-Barajas zeigen einmal mehr, dass es fĂŒr FluggĂ€ste immer noch keine effektiven Fluggastrechte gibt. Die von der EuropĂ€ischen Kommission in strahlendem Antlitz dargestellte Fluggastverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004) wird von den Fluggesellschaften bewusst missachtet. Effektive Durchsetzungsmöglichkeiten und Mittel zum direkten Ausgleich der AnsprĂŒche fehlen. Die spanische Ministerin Magdalena Álvarez wies in einem Interview darauf hin, dass die spanische Regierung beschlossen habe, offizielle Untersuchungen gegen die Fluggesellschaft Iberia wegen der VorfĂ€lle der letzten Wochen am Flughafen Madrid einzuleiten. Álvarez machte deutlich, dass Iberia von staatlicher Seite mit einer Höchstsanktion in Höhe von 4,5 Millionen Euro belegt werden könnte. Die Ministerin wies VorwĂŒrfe zurĂŒck, die darauf zielten, dass die spanische Regierung JosĂ© Zapateros zu wenig gegen das Chaos am Flughafen unternommen hĂ€tte. Álvarez meinte, dass die Regierung gegen interne Streitereien eines Privatunternehmens wie der Iberia keine Handhabe habe. Álvarez machte zudem Fehler der Meteorologen ĂŒber die Wettervorhersagen fĂŒr das Chaos am Flughafen Madrid verantwortlich.

Betroffene Passagiere einer Flugannullierung oder Überbuchung haben in Europa einen Rechtsanspruch auf Ausgleichszahlung zwischen 250 und 600 Euro. Die spanische Verbraucherzentrale OrganizaciĂłn de Consumidores y Usuarios (OCU) hat allen Flugpassagieren, die von einer Annullierung oder einer Überbuchung am Flughafen Madrid betroffen waren, empfohlen, ihre AnsprĂŒche wahrzunehmen und die Ausgleichszahlungen zu fordern. Die OCU bĂŒndelt zur Zeit die Beschwerden der Verbraucher und bereitet eine ‚Sammelklage‘ vor. Auch die spanische Verbraucherorganisation ACUTAVC (AsociaciĂłn de Consumidores y Usuarios del Transporte AĂ©reo y Viaje Combinado) hat angekĂŒndigt, Beschwerden zu sammeln und ein Verfahren gegen die Fluggesellschaft Iberia und die Flughafenbetreibergesellschaft AENA anzustrengen. Die OCU wies zudem darauf hin, dass europĂ€ische Fluggesellschaften verpflichtet seien, ihre FluggĂ€ste im Falle einer Flugannullierung oder Überbuchung ĂŒber ihre Fluggastrechte nach der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 zu informieren.

Die OCU wies darauf hin, dass es offiziell keine StreikerklĂ€rung und keinen Streik gegeben hĂ€tte. Iberia könne sich AnsprĂŒchen von betroffenen FluggĂ€sten dann auch nicht mit dem Argument der „höheren Gewalt“ oder „Force majeur“ erwehren. „Das Argument der höheren Gewalt von Seiten der Fluggesellschaften ist typisch, um Zahlungen an Flugpassagiere zu umgehen“, sagte RubĂ©n SĂĄnchez, Sprecher der Facua, der spanischen Verbraucherorganisation ‚Verbraucher in Aktion‘. Er schlug vor, die entsprechende Verordnung zu Ă€ndern, so dass FluggĂ€ste ohne förmliche Beschwerde die Ausgleichszahlung im Falle von Annullierungen und Überbuchungen gezahlt werden mĂŒsse. „Die Fluggesellschaften wissen ganz genau, dass ihre FluggĂ€ste von einer Annullierung betroffen sind, und wissen gleichzeitig, dass sich von 100 FluggĂ€sten höchstens 10 beschweren“, sagte SĂĄnchez. Die Dachorganisation der Verbraucherzentralen in Spanien, die ConfederaciĂłn Española de Organizaciones de Amas de Casa, Consumidores y Usuarios (Ceaccu), empfahl betroffenen FluggĂ€sten, sich nicht nur ĂŒber die Annullierungen zu beschweren, sondern die RechtsansprĂŒche ĂŒber alle SchĂ€den und Aufwendungen, die vor allem Pauschalreisenden zustĂŒnden, rechtlich durchzusetzen.

Rechtsanwalt Jan Bartholl Ansprechpartner im Reiserecht, Flugrecht und Luftverkehrsrecht

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MĂŒnster, April 2008
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Datum: 04.02.2009 - 15:25 Uhr
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