PresseKat - WAZ: Der starke, schwache Papst. Kommentar von Martin Gehlen

WAZ: Der starke, schwache Papst. Kommentar von Martin Gehlen

ID: 722143

(ots) - Schärfer konnten die Kontraste nicht sein.
Feuerstürme in arabischen Hauptstädten - westliche Botschaften
brennen, Diplomaten in Todesangst vor einem rasenden Mob. Und
inmitten dieses Flächenbrands aus Hass, Gewalt und Chaos der fragile
Besucher aus Rom: Papst Benedikt XVI. Einzig Beirut blieb während der
dreitägigen Visite eine Insel der Ruhe in einem Meer von Aufruhr und
Gewalt. Nebenan in Syrien tobt ein Bürgerkrieg, gleichzeitig blasen
die Radikalen der gesamten Region zur Generalabrechnung. Die
islamischen Eiferer haben mit dem Westen viele Rechnungen offen -
Afghanistan, Irak, die Treue zu Israel und jahrzehntelange
Komplizenschaft mit den Autokraten der Region. Gleichzeitig geraten
die Christen des Orients in den Strudel gottgewisser Polarisierer.
Geistige Brandstifter denunzieren ihre Landsleute als Handlanger des
Westens oder gar als Ungläubige. Und seit dem Arabischen Frühling
zeichnet sich ab, dass die nächsten Jahrzehnte der Region
wahrscheinlich dem politischen Islamismus gehören, hinter dessen
Haltung zu Freiheit und Pluralität viele Fragezeichen stehen.
Hunderttausende Christen sind im letzten Jahrzehnt schon geflohen.
Aus Rom gekommen war ein alter Mann, der über weite Strecken am Ende
seiner Kräfte schien. Dennoch empfanden die bedrängten Christen seine
warmherzigen Predigten, auch seinen persönlichen Mut zu dieser Reise,
als wohltuende Zuwendung. Atemlos hingen die jungen Menschen an
seinen Lippen, dankbar nahmen die Gläubigen beim
Abschlussgottesdienst seine Worte zum Krieg in Syrien auf. Benedikts
Angebot von einem neuen christlich-islamischen Wertebund für Mäßigung
und Respekt, Vernunft und Racheverzicht richtet sich an alle Muslime
guten Willens, auch wenn die Offerte zunächst einmal in den
Flammenbildern der arabischen Nachrichtenkanäle unterging. Zu den vom
Papst beschworenen Werten von Frieden und Zivilität, Toleranz und




Verständnis aber gibt es keine Alternative, soll das Zusammenleben
von Orient und Okzident nicht eines Tages vollends aus den Fugen
geraten.



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Datum: 16.09.2012 - 19:16 Uhr
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