(ots) - Pressemitteilung
Rammen von Fundamenten schädigt Meeressäugetiere bis hin zum Tod
- Technische Eindämmung in Sichtweite - Quantensprung durch neue
Fundamentkonzepte? - Verbindliche Schallschutzgrenzwerte als Treiber
technologischer Entwicklung - DUH fordert wirksames
Schallschutzkonzept der Bundesregierung und mehr Forschung zu den
Folgen von Lärm auf die Unterwasserwelt - 200 Teilnehmer aus
Deutschland, den Nachbarländern und den USA bei DUH-Fachtagung in
Berlin
Die Errichtung von Offshore-Windparks stellt für geschützte
Schweinswale, Robben, viele Fischarten und andere Meerestiere ein
schlimmstenfalls lebensbedrohendes Risiko dar. Gleichzeitig
entwickelt die Windindustrie vielfältige Technologien, die die beim
Rammen der Fundamente auftretenden extremen Lärmpegel wirksam
reduzieren können oder beim Bau von Windenergieanlagen im Meer sogar
ganz ohne die schallintensive Rammtechnik auskommen. Das sind die
wichtigsten Botschaften einer zweitägigen Fachtagung
("Herausforderung Schallschutz beim Bau von Offshore-Windparks") zu
der die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) am Dienstag und Mittwoch
(24./25. September) in die Britische Botschaft nach Berlin geladen
hat.
Die rund 200 Fachleute aus Industrie, Wissenschaft, Verbänden,
Behörden und Politik waren sich weitgehend einig, dass der dynamische
Fortschritt beim Unterwasserschallschutz vor allem Ergebnis eines
herausfordernden Lärmschutzwertes (160 Dezibel) ist, der seit 2008
für den Bau von Offshore-Anlagen in Nord- und Ostsee verbindlich ist.
"Offshore-Windenergie ist für das Gelingen der Energiewende
unverzichtbar und bedeutet gleichzeitig immer einen schweren Eingriff
in die Natur. Umso ermutigender war, dass während dieser Tagung
durchgängig lösungsorientiert und nie ideologisch diskutiert wurde",
sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Michael Spielmann zum Abschluss der
Tagung. Deutlich sei geworden, dass Naturschutz und Windindustrie die
Schützengräben verlassen hätten und gemeinsam den Erfolg der
naturverträglichen Energiewende wollten. Natürlich müssten
naturschutzrechtliche Vorgaben eingehalten werden, auch weil
andernfalls die Akzeptanz der Offshore-Technik verloren ginge.
Spielmann: "Der Innovationsdruck kommt aus dem Lärmschutzwert. Das
haben mittelständische, aber zunehmend auch große Unternehmen
verstanden und sich auf beeindruckende Weise auf die Suche nach
technischen Lösungen gemacht". Spielmann forderte die Bundesregierung
auf, mit ihrem lange angekündigten neuen Schallschutzkonzept für die
Schweinswale den Innovationsdruck aufrecht zu erhalten. Dies werde
nicht nur der Meeresfauna auch jenseits der bedrohten Art helfen,
sondern auch dazu beitragen, dass die deutsche Windindustrie ihre
aktuelle Technologieführerschaft in der Welt verteidigen könne.
Darüber hinaus habe die Fachtagung dringenden weiteren
Forschungsbedarf zu den Folgen des menschengemachten Lärms für Fische
und die sonstige Unterwasserwelt in Nord- und Ostsee ergeben. Hier
müsse die Bundesregierung dringend entsprechende Mittel
bereitstellen.
Anlässlich der Tagung stellten zahlreiche Unternehmen
vielversprechende Konzepte zur Schallminderung vor, die teilweise
schon erfolgreich bei der Errichtung der ersten deutschen
Offshore-Windparks eingesetzt wurden. Zu ihnen gehören der so
genannte "große Blasenschleier" (der von vielen Teilnehmern bereits
als "Stand der Technik" angesehen wird) und zahlreiche Varianten, die
mit festen oder flüssigen Schallschutzmänteln arbeiten. Ein
Quantensprung bei der Lösung des Lärmproblems könnte sich aus
neuartigen Fundamentkonzepten ergeben, die schon in wenigen Jahren
ohne die besonders problematische Rammtechnik auskommen könnten.
Vorgeschlagen werden Fundamente, bei denen ähnlich wie bei
horizontalen Tunnelbohrungen vertikale Gründungskörper in den
Meeresboden gebohrt werden. Schwerkraftfundamente arbeiten mit großen
(Beton-) Massen, die die Windkraftanlagen allein durch ihr großen
Gewicht am Meeresboden verankern. Bei so genannten Bucket-Fundamenten
werden überdimensionierte umgedrehte Eimer mittels Unterdruck in den
Meeresboden eingeschwemmt. Sollten sich Konzepte wie diese auch
ökonomisch darstellen lassen, könnten sie das Lärmproblem
entscheidend, auf einem Niveau weit unter den heute gültigen
Grenzwerten mindern.
Das wäre dringlich, denn bei den derzeit errichteten Offshore
Windparks wird der in Deutschland gültige Lärmschutzwert von 160
Dezibel (dB) in 750 m Entfernung zur Emissionsstelle bei Rammarbeiten
noch häufig überschritten. Deshalb verlangen Umwelt- und
Naturschutzverbände den sofortigen verbindlichen Einsatz von
Technologien, die geeignet sind die Schallschutzgrenzwerte
einzuhalten. Die Offshore-Industrie hatte dagegen kürzlich in einem
Positionspapier Übergangsfristen für vor 2008 genehmigte Windparks
gefordert.
Vor allem die geschützten und insbesondere in der Ostsee vom
Aussterben bedrohten Schweinswale sind von dem enormen Lärm beim
Rammen von Offshore-Gründungen betroffen, weil sie sich ähnlich wie
Fledermäuse in der Luft im Wesentlichen über Schall im Meer
orientieren. Die negativen Auswirkungen von Unterwasserlärm auf den
Schweinswal aber auch auf andere Meerestiere, wie Robben und Fische
sind vielfältig und können von Störung und Vertreibung bis hin zu
schweren Schädigungen, Verletzungen und Tod reichen.
In Deutschland sind aktuell erst etwa 200 Megawatt
Offshore-Windleistung am Netz. Die Strategie der Bundesregierung zur
Windenergienutzung auf See sieht vor, dass bis zum Jahr 2020
Windkraftanlagen mit einer Kapazität von 10.000 und bis 2030 von
25.000 Megawatt installiert werden. Angesichts der in der Nordsee
geplanten großen Zahl von Offshore Windparks müsse auch die
kumulative Wirkung vieler zehntausend Rammschläge auf die Meerestiere
untersucht und in die Schutzkonzepte integriert werden, ebenso die
Überlagerung mit bisher kaum berücksichtigten anderen Nutzungen und
Gefährdungen, wie zum Beispiel der Fischerei, der Ölförderung,
seismischer Untersuchungen und des Schiffsverkehrs.
Hier werden in Kürze die Tagungsdokumente zur Verfügung stehen
http://www.duh.de/schallschutz-tagung_2012.html
Die Tagung der Deutschen Umwelthilfe wurde vom Bundesamt für
Naturschutz (BfN) gefördert.
Pressekontakt:
Michael Spielmann, Bundesgeschäftsführer, Hackescher Markt 4, 10178
Berlin, Tel: 030 2400867-0; Mobil: 0160 90914431, E-Mail:
spielmann(at)duh.de
Ulrich Stöcker, Leiter Naturschutz, Hackescher Markt 4, 10178 Berlin,
Mobil: 01608950556, E-Mail: stoecker(at)duh.de
Dr. Peter Ahmels, Leiter Erneuerbare Energien, Hackescher Markt 4,
10178 Berlin, Tel: 030 2400867-0; Mobil: 015116225863, ahmels(at)duh.de
Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik & Presse, Hackescher Markt 4,
10178 Berlin; Tel: 030 2400867-0, Mobil: 0171 5660577, E-Mail:
rosenkranz(at)duh.de