(ots) - Helmut Kohl - gibt es eine Figur der deutschen
Nachkriegsgeschich-te, über die ein Urteil schwieriger ist als über
diesen ehemaligen Bundeskanzler und CDU-Vorsitzenden; diesen Herrn
über schwarze Kassen, der sich selbst über Recht, Gesetz und
Verfassung stellte; den Kanzler der deutschen Einheit; den
Regierungschef, in dessen Amtszeit die Flickaffäre um illegale
Parteispenden fiel; den Protagonisten der europäischen Einigung?
Sollte die These stimmen, dass die historische Bedeutung von
herausragenden Politikern mit dem Ausmaß ihres Wankens zwischen
Legalität und Legitimität, zwischen Recht und Unrecht, zwischen
demokratischer Verpflichtung und der Attitüde zur undemokratischen
Usurpation der Macht wächst - Helmut Kohl gehörte unzweifelhaft zu
jenen Persönlichkeiten der deutschen Geschichte, denen man solche
große historische Bedeutung zuschreiben müsste. Aber sie stimmt
nicht. Denn es gibt eben auch andere Figuren. Ohne Rechtsbrüche. An
ihnen gemessen schrumpft der Politiker Helmut Kohl. 16 Jahre sind
eine lange Regierungszeit, 25 Jahre als CDU-Vorsitzender sind eine
erdrückende historische Periode für eine junge Nachkriegspartei. Sie
lastet schwer auf der Erinnerung. Auf der Erinnerung der heute 30-,
40-, 50-Jährigen. Es sind keine durchgehend guten Erinnerungen. Die
CDU hatte in der Kohl'schen Spendenaffäre kaum eine andere Chance,
als sich von ihrem ehemaligen Vorsitzenden zu distanzieren. Kohl
reagierte, wie man es erwartet hatte: Mit beleidigt-herrschaftlicher
Attitüde warf er seiner Union den Ehrenvorsitz vor die Füße.
Einsicht: null. Unrechtsbewusstsein: keins. Das Schisma zwischen Kohl
und der CDU aber ist nur Form, inhaltlich haben sich die
Christdemokraten nie wirklich von ihrem Altkanzler ab- und "dem
Mädchen", wie der seine Nachnachfolgerin in Parteivorsitz und
Kanzleramt einst nannte, zugewandt. Auch daran mag es gelegen haben,
dass Helmut Kohl - gezeichnet durch seine 82 Lebensjahre - mit ein
paar kurzen Bemerkungen die Bundestagsfraktion seiner Partei zu sich
umdrehen konnte. Das sei seine Heimat, hier sei er zu Hause, hat er
der Unionsfraktion gesagt. Und: "Ich habe viel Mut für die Zukunft
Europas. Ich möchte mit Ihnen allen diesen Mut haben." Die
Abgeordneten applaudierten ihrem Altkanzler. So einen Satz hätten sie
eigentlich von ihrer Kanzlerin hören müssen. Irgendwann in dieser
Euro-Krise. Nur einmal. Führung nennt man so etwas. Und Überzeugung.
Haltung auch. Helmut Kohl gab sie ihnen, Merkel nicht. Was für ein
Jammer, dass sich dieser Mann dazu hinreißen ließ, sich über das
Gesetz zu stellen. Und dies bis heute tut. Er hätte eine große Figur
der Geschichte bleiben können. So bleibt der Makel des
Rechtsbrechers. Auch nach 30 Jahren. Und trotz der Verdienste als
großer Europäer.
Pressekontakt:
Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
nachrichten(at)neue-westfaelische.de