(PresseBox) - Autor: Raphael Hermes, RWTH Aachen, Lehrstuhl für Werkzeugmaschinen
Der vom Markt erzeugte Druck auf die produzierende Industrie am Standort Deutschland erfordert eine intelligente Produkt- und Produktionsplanung. Die Anforderungen des Endkunden an das Produktionsgut müssen hinsichtlich Wirtschaftlichkeit und Qualität erfüllt werden. Oftmals jedoch fehlt in der Phase der Produktentwicklung und -konstruktion ein übergreifendes Verständnis der Eigenschaften und Fähigkeiten verfügbarer Produktionsmittel. Dadurch erfolgt die Auslegung der Produktionsgüter in der Regel entkoppelt von der verfügbaren Produktionstechnik.
Nachteilig kann sich in diesem Zusammenhang ein übertrieben fertigungsstabiles Produktdesign auf eine zeit- und kostenoptimierte Fertigung auswirken. Gleichermaßen kann auch der umgekehrte Fall eintreten, bei dem die Grenzen der einzusetzenden Maschinen überschätzt werden und so aufwendige Iterationsschleifen zur prozessstabilen Herstellung eines Produkts durchlaufen werden müssen.
Grund für dieses Dilemma ist vielfach der Mangel an integrativen Modellen zwischen der CAD-CAM-NC-Kette eines produzierenden Unternehmens und dem Engineering-Prozess eines Maschinenherstellers. Letztere können auf vielfältige Mess- und Simulationsmöglichkeiten zurückgreifen, die eine Entwicklung von Maschinen mit extrem hohen Ansprüchen an Leistungsfähigkeit und Genauigkeit ermöglichen. Obwohl dieses Wissen nach dem Entwicklungsprozess des Maschinensystems in digitaler Form vorliegt, findet eine Weiterverwendung in der Fertigungsplanung eines Produktionsunternehmens derzeit nur in einer Minderzahl von Anwendungsfällen statt.
Realisierung effizienter Zerspanprozesse.
Eine effektive Integration an der Produktentstehung beteiligter Bereiche, also eine enge Verbindung der Expertisen von Maschinenherstellern und Maschinenanwendern in Produktentwicklung und Fertigungsplanung, muss in gegenwärtigen und zukünftigen Forschungsprojekten speziell im Bereich der Prozess-Maschine-Interaktion durch die Entwicklung durchgängiger Simulationsketten gefördert werden.
Eine wesentliche Restriktion von Maschinen aus dem Bereich der zerspanenden Technologien ist durch das Auftreten regenerativer Ratterschwingungen gegeben. Daher müssen in der Fertigungsvorbereitung von Produktionsgütern häufig zeit- und kostenintensive Versuchsreihen zur Ermittlung prozesssicherer Fertigungsbedingungen durchgeführt werden. Das Verständnis der dynamischen Wechselwirkungen ist beim Maschinenhersteller gemeinhin deutlich ausgeprägter, da dieser bei der Konstruktion seines Maschinensystems zumindest dessen Strukturdynamik losgelöst vom Prozess in Betracht zieht.
Simulation der Maschinendynamik
Die Maschinenanwender können davon jedoch nur partiell profitieren, weil bisher keine anforderungsgerechten Simulations- und Planungssysteme vorliegen, die dieses Wissen der Fertigungsplanung in adäquater Form zur Verfügung stellen.
Andererseits deckt der industrielle Fertigungsbetrieb Defizite auf, die einer Qualitätssteigerung von Produktionsmitteln als Ausgangspunkt dienen können. Auch für diesen Informationsfluss vom Maschinenanwender zum Maschinenhersteller ist keine Durchgängigkeit gegeben, so dass Fertigungsdefizite, die Symptome zur Identifizierung maschineninterner Verbesserungspotenziale darstellen, erst in aufwendigen Analysen in Ursachenkenntnis übertragen und umgesetzt werden können.
Die mit dem Forschungsvorhaben ReffiZ (Realisierung effizienter Zerspanprozesse) angestrebten Planungsprozesse und Softwarewerkzeuge beabsichtigen eine simulationsgestützte Produktauslegung unter Berücksichtigung einer schwingungsstabilen Prozessführung in der Serienfertigung sowie der eingesetzten Produktionsmittel. ReffiZ umfasst Methoden zur Prognose der Prozess-Maschine-Wechselwirkungen bereits im Produktentwicklungsprozess durch die Erweiterung der CAM-NC-Planungskette.
In gleichem Maß bietet ReffiZ die Möglichkeit, Produktionsmittel in ihrer Entwicklungsphase per Simulation hinsichtlich ihrer Fertigungseffizienz für definierte Bearbeitungsoperationen zu verbessern. Das dynamische Wechselwirkungsverhalten von Maschine und Prozess wird automatisiert anhand maschineninterner Leistungs- und Regelgrößen in Referenzprozessen erfasst, analysiert und zur Parametrierung der Simulationswerkzeuge aufbereitet. Parallel hierzu werden bestehende Simulationsansätze zur Beschreibung der Prozess-Maschine-Interaktion den Anforderungen einer frei parametrierbaren Bahnführung angepasst, und Planungsmethoden werden aus den Erkenntnissen über stabile Bearbeitungsprozesse abgeleitet. Schließlich werden die resultierenden Modellbeschreibungen und Planungsverfahren in Form von Softwaresystemen umgesetzt sowie in den industriellen Produktentstehungsprozess bei Maschinenanwendern und Maschinenherstellern integriert.
Eine industrielle Nutzung der erarbeiteten Simulations- und Planungswerkzeuge im Rahmen der Maschinenentwicklung sowie -anwendung ist durch das beteiligte Konsortium bestehend aus Maschinenherstellern (Gebr. Heller Werkzeugmaschinenfabrik, INDEX-Werke GmbH & Co. KG Hahn & Tessky), Werkzeugherstellern (Sandvik Coromant), Forschungs- und Softwarepartnern (Siemens AG, Robert Bosch GmbH, Werkzeugmaschinenlabor der RWTH Aachen) sowie Endanwendern (Skrobanek Metallbearbeitung GmbH, MAN Truck & Bus AG) gewährleistet. Die Softwarelösungen aus ReffiZ werden zur Implementierung in kommerziell verfügbaren Planungssystemen aufbereitet. Sie stehen einem breiten Feld von Anwendern zur Verfügung.
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