(ots) - Da hatten wir uns schon unschuldig gefreut über den
Friedensnobelpreis für Europa. Unmittelbar im Anschluss an die
unbefleckte Freude meldete sich dann aber die professionell befleckte
Fantasie und fragte nach: Ist das etwa der nur halbwegs noble Versuch
der Preisvergeber, dem Europäer Helmut Kohl persönlich diesen Preis
verweigern zu können, durch ein Ausweichen auf die politisch
unangreifbarere Institution sozusagen? Leider gibt es gerade auf
solche Fragen keine Antworten. Aber womöglich hat so ein europäischer
Nobelpreis vielleicht doch Folgen, dachten wir nur einen Tag später.
Da hatte ein anderer 100-Prozent-Europäer, Wolfgang Schäuble, in
Singapur den wirklich unverwechselbaren Satz gesagt: "There will be
no Staatsbankrott in Greece." Schon zog die nächste unanständige
Frage herauf: Ist der großzügige Verzicht auf den griechischen
Staatsbankrott die Schlussfolgerung aus dem Nobelpreis für Europa?
Hat sich Schäuble gleich mal auf halbdeutsch bedanken wollen für die
europäische Ehre? Ausdrücklich und monatelang hatte der deutsche
Kassenwart eine griechische Staatspleite nicht ausschließen wollen.
Woher nun seine Kehrtwende? Ganz einfach: Schäuble ist in eine ganz
heimtückische Rollenfalle getappt. Genauer: In eine noch
heimtückischere Rollenwechselfalle. Er dachte, er könnte ungestraft
in Singapur anders reden als in Frankfurt. Er dachte, es wäre
möglich, in Asien die europäische Währung vor asiatischen Spekulanten
zu beschützen und in Frankfurt die deutschen Steuerzahler vor den
Griechen. Weil das misslang, ist die Nachrichtenlage nun eine andere.
Die neue Nachricht lautet: Griechenland wird in jedem Fall, genauer,
um jeden Preis gerettet. No Staatsbankrott. Eine gute Nachricht. Vor
allem für Griechenland. Eher schlichtere Griechen werden ins Staunen
geraten und sich sagen: Schau her, da hat sich dieser Nobelpreis aus
Norwegen an Europa für uns Griechen doch schon mal gelohnt. Andere,
Nazi-Fähnchen schwenkende Wutgriechen, mögen verwundert denken, eine
sehr alte Masche zieht - wider Erwarten - immer noch.
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