(ots) - Kurdenkonflikt, Menschenrechte, Presse- und
Meinungsfreiheit, Visastreit und EU-Beitritt: Die Liste brisanter
Themen im deutsch-türkischen Verhältnis wäre beliebig verlängerbar.
Bei der auffällig unauffälligen Visite des türkischen Premiers
Erdogan wurde vieles davon ausgeklammert; ähnlich wie bei Besuchen
von Kanzlerin Angela Merkel in China. Das zeigt: Die Türkei ist
angekommen im Kreis jener Mächte, mit denen Diplomaten im Umgang
Klartext vermeiden. Die Wirtschaft boomt, Wachstumsraten von 8,5
Prozent, Fortschritte beim Schuldenabbau und gut ausgebildete
Jugendliche in den Metropolen des Landes sorgen für strotzendes
Selbstbewusstsein. Die einst nur als westlicher militärischer
Vorposten betrachtete Türkei ist längst zu einem Player weit über die
engere Region hinaus geworden. Doch der Reformeifer ist begrenzt,
konzentriert sich vornehmlich auf den Abbau von Wachstumshemmnissen.
Bürger- und Minderheitenrechte dagegen spielen eine untergeordnete
Rolle. Andersdenkende werden von der Partei des Ministerpräsidenten
verfolgt oder an den Rand gedrängt. Korruption ist der stille
Begleiter des Aufschwungs. Vieles erinnert an das Modell der
gelenkten Demokratie à la Putin. Merkels Dickfelligkeit gegenüber dem
beharrlich wachsenden Druck Erdogans auf eine klare
Beitrittsperspektive spricht für Prinzipientreue, die man sich
allerdings auch im Falle Rumäniens und Bulgariens gewünscht hätte.
Ohnehin ist der türkische Druck auf eine EU-Vollmitgliedschaft bei
weitem nicht so stark wie öffentlich geäußert. Das Land kommt mit
Assoziierung und privilegierter Partnerschaft bestens zu Rande;
vielleicht sogar besser, weil ein islamischer Sonderweg möglich
bleibt. Es gibt mehr Chancen als verpasste Chancen. Sie gemeinsam zu
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