(ots) - Gräber nachhaltig pflegen: Maßloses Gießen
produziert "Wachsleichen"
DBU-Projekt deckt Umweltprobleme auf Friedhöfen auf - Ergebnisse
auf Fachtagung in Osnabrück vorgestellt
Allerheiligen, Allerseelen, Totensonntag - vor allem im November
wird der Toten gedacht und intensive Grabpflege betrieben. Gut
gemeint ist aber nicht gleich gut gemacht: Auf deutschen Friedhöfen
wird zu viel gegossen. Das Wasser flutet Gräber, verstopft die Poren
des Bodens und erschwert die Verwesung: "Wachsleichen" entstehen, die
Friedhofsmitarbeiter später unter großen seelischen Belastungen
beseitigen müssen. Zu diesem Schluss kommen Projekte der
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und der Universität Kassel,
die Umweltprobleme auf Friedhöfen untersucht haben. Übermäßiges
Gießen kann laut Iris Zimmermann vom Institut für Pflanzenernährung
und Bodenkunde in Kiel außerdem dazu führen, dass Keime schneller ins
Grundwasser gelangen. Weitere Ergebnisse wurden heute auf der
Fachtagung "Friedhofsböden" im Zentrum für Umweltkommunikation (ZUK)
der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) in Osnabrück vorgestellt.
Die DBU förderte die Projekte mit rund 465.000 Euro.
"In Deutschland gibt es rund 33.000 Friedhöfe. Auf etwa 30 bis 40
Prozent von ihnen verwesen viele Leichen nicht - mit weitreichenden
Folgen für Mensch und Umwelt", sagte DBU-Generalsekretär Dr.-Ing. E.
h. Fritz Brickwedde anlässlich der Tagung, in der auch über
Landschaftsarchitektur und -gestaltung von Friedhöfen gesprochen
wurde. Der Grund: In die Böden gelange zu viel Gießwasser und zu
wenig Sauerstoff. Eine ungünstige Konstellation, die den
Verwesungsprozess störe. Um es gar nicht so weit kommen zu lassen,
können Angehörige laut Zimmermann bereits kurz nach dem Begräbnis
vorbeugend aktiv werden, indem sie den bei Erdbestattungen
aufgeschütteten Boden - anders als von vielen professionellen
Grabpflegern fälschlicherweise empfohlen - nicht festtreten. "Die
Pfleger begründen ihren Ratschlag oft mit dem Argument, dass so
frühzeitig 'schön gepflanzt' werden kann", meint Zimmermann. Die
Projektergebnisse machten jedoch deutlich, dass das Festtreten der
Erde allenfalls das äußere Erscheinungsbild der Graboberfläche
verbessere, für den Verwesungsprozess aber kontraproduktiv sei, da
notwendiger Sauerstoff nur noch schwer hindurchdringe.
Auch die spätere Grabpflege - zum Beispiel das Einbringen und
Bewässern von Pflanzen - habe einen entscheidenden Einfluss auf die
Bodenverhältnisse und damit auf den Verwesungsprozess der Leichen,
betonte Prof. Rainer Horn - ebenfalls vom Institut für
Pflanzenernährung und Bodenkunde in Kiel - heute in seinem Vortrag zu
den Möglichkeiten und Grenzen der Strukturbeeinflussung von
Friedhofsböden. Beim Gießen sei weniger mehr, mahnte er: "Zwei
Gießkannen à zehn Liter Wasser auf zwei Quadratmeter verteilt - und
das Grab steht für zwei bis drei Tage unter Wasser." Fürs Bepflanzen
gelte: "Lieber Stauden bevorzugen, denn diese wurzeln tief und
entziehen dem Boden dadurch mehr Wasser als saisonale Pflanzen."
Stauden bräuchten daher seltener gegossen zu werden. Im Rahmen des
Projektes sei außerdem ein Versuch mit Branntkalk unternommen worden,
der gezeigt habe, dass feuchte Lehmböden durch die Zugabe des Pulvers
beispielsweise nach einem Regenguss deutlich trockener blieben als
Böden ohne Branntkalk.
Abgesehen von den seelischen Belastungen für das Friedhofspersonal
habe falsche Grabpflege je nach Bodenart auch weitreichende Folgen
für die Umwelt: "Werden beispielsweise Sandböden stark bewässert,
sickert das Wasser schneller hindurch als bei Lehmböden. Das
Gießwasser kommt demnach schneller im Grundwasser an und reißt
langlebige Keime und Bakterien - wie Salmonellen und Schwermetalle
aus Arzneimitteln oder Zahnfüllungen, die selbst im Körper eines
Toten mehrere Jahre überdauern können, - mit sich", erläuterte
Zimmermann. Je schneller das Wasser durch die einzelnen Schichten
sickere, desto geringer sei die reinigende Wirkung des Bodens. Eine
Faustregel besage: Um im Sickerwasser enthaltende Krankheitserreger
unschädlich zu machen, bevor sie das Grundwasser verunreinigen und
Infektionskrankheiten bei Menschen und Tieren auslösen, müsse es
mindestens sechs Monate im Boden verbleiben. Zimmermann: "Es wäre
deshalb wünschenswert, wenn bei Friedhofsbesuchern das Bewusstsein
entsteht, dass Gießen nicht unbedingt förderlich ist."
Wissenschaftliche Untersuchungen hätten ergeben, dass Friedhöfe
deutschlandweit von Verwesungsstörungen betroffen seien, sagte
Zimmermann. In Baden-Württemberg seien es zum Beispiel 40 Prozent, in
Rheinland-Pfalz 30 bis 40 Prozent und in Bayern sogar bis zu 44
Prozent. Im Ruhrgebiet seien zudem zahlreiche Friedhöfe auf
ungeeigneten Flächen angelegt, deren Böden zum Beispiel keinen
Sauerstoff enthielten oder keine aktive Mikrobiologie aufwiesen. Im
Rahmen des DBU-Projektes seien auf Grundlage der Ergebnisse deshalb
am Beispiel von 19 Friedhöfen auch Kriterien für eine
standortangepasste Friedhofsnutzung erarbeitet worden.
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Ansprechpartner für Fragen zum Projekt:
Iris Zimmermann
Institut für Pflanzenernährung und Bodenkunde
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Telefon: 0431/8802503
Telefax: 0431/8802940
E-Mail: i.zimmermann(at)
soils.uni-kiel.de