(ots) - Nicht zu früh verteufeln
Taktisch klüger hätte Ägyptens Präsident Mohammed Mursi diesen
Coup zeitlich nicht landen können: Während die Welt ihn für seinen
Vermittlungserfolg zwischen der Hamas und Israel feiert, baut er
innenpolitisch seine Macht aus: Sich selbst hat er zu einem
Staatschef erklärt, dessen Wort Gesetz ist und der über der Justiz
steht. Ein genialer Schachzug.
Denn die internationale Gemeinschaft steht dem Muslimbruder nach
seinem Auftritt im Nahost-Konflikt so wohlwollend wie nie gegenüber.
Für die ägyptische Bevölkerung hatte er hingegen andere Geschenke
parat, um von der Brisanz seiner Entscheidung abzulenken: So entließ
Mursi den in der Öffentlichkeit verhassten Generalstaatsanwalt Abdel
Megid Mahmud und kündigte an, den Prozess gegen Ex-Diktator Husni
Mubarak neu aufzurollen. Damit befriedigte er die Rachegelüste vieler
Ägypter.
Dass er mit seinem Machtzuwachs Misstrauen und Skepsis erntet, ist
nur zu verständlich. Trotzdem sollten ihn Kritiker nicht zu früh als
neuen Pharao verteufeln. Denn innenpolitisch herrscht in Ägypten seit
Monaten Stillstand. Mursis Dekrete könnten zur Folge haben, dass die
umstrittene Verfassunggebende Versammlung endlich ein neues
Grundgesetz ausarbeitet und es zur Neuwahl des Parlaments kommt. Der
Präsident muss dann allerdings beweisen, dass er ein
verantwortungsvoller Politiker ist, und seine erweiterte Macht wieder
abgeben. Andernfalls behielten seine Kritiker recht.
Pressekontakt:
Neue Osnabrücker Zeitung
Redaktion
Telefon: +49(0)541/310 207