(ots) -
Gemeinsam wenden sich die kommunalen Spitzenverbände und der VKU
gegen Pläne der EU-Kommission, durch eine Richtlinie die bisher
vergabrechtsfreien Dienstleistungskonzessionen der Ausschreibung zu
unterwerfen. Diese Richtlinie würde erheblich in die kommunale
Organisationsfreiheit im Bereich der Daseinsvorsorge eingreifen. Ein
europarechtlich vorgegebenes Verfahren würde an die Stelle der
Entscheidungen der kommunalen Gremien vor Ort gestellt, wenn es zum
Beispiel um die Vergabe einer Wasserkonzession in der Kommune geht.
Der zuständige Binnenmarktkommissar, Michel Barnier, hat sich heute
in Berlin zu diesen Kritikpunkten mit den kommunalen Spitzenverbänden
und dem VKU ausgetauscht. Die Verbände haben sich in dem Gespräch auf
drei wesentliche Punkte konzentriert.
Bis heute hat die Europäische Kommission nicht dargelegt, warum
eine Richtlinie zu Dienstleistungskonzessionen überhaupt erforderlich
sein soll. Neben der bestehenden Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofes (EuGH) sehen die kommunalen Spitzenverbände und der VKU
auch keine Notwendigkeit für eine solche Richtlinie. Insbesondere
besteht keine Rechtsunsicherheit und keine Rechtsschutzlücke, die ein
Handeln der Europäischen Kommission nötig machen würden.
Die Verbände sind außerdem der Auffassung, dass alle Bereiche der
kommunalen Daseinsvorsorge aus dem Anwendungsbereich des
Richtlinienvorschlages herausgenommen werden müssen. Dies entspräche
den Zielen und Inhalten des Vertrages von Lissabon und dem Protokoll
zu den Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse
mit der dort vorgenommenen Stärkung der lokalen Selbstverwaltung.
Dienstleistungskonzessionen berühren viele Bereiche der Leistungen
von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse wie die Wasserversorgung,
die Abwasserentsorgung, soziale Dienstleistungen oder Rettungs- und
Gesundheitsdienstleistungen. In diesem Kernbereich kommunaler
Daseinsvorsorge würde eine Umsetzung der Richtlinie zu tiefen
Einschnitten in die kommunale Organisationsfreiheit führen. Gerade
die kommunalwirtschaftlichen Strukturen bei der Trinkwasserver- und
Abwasserentsorgung genießen bei den Bürgerinnen und Bürgern in
Deutschland aber höchste Wertschätzung. Dies belegt aktuell eine
repräsentative Umfrage, die Forsa im Auftrag des VKU durchgeführt
hat. Danach sprechen sich 82 Prozent der Befragten gegen neue
Vorschriften aus Brüssel aus. Vor diesem Hintergrund darf eine
mögliche Richtlinie insbesondere für Dienstleistungskonzessionen in
der Wasserwirtschaft, für Leitungs- und Wegerechte im Bereich der
Energieversorgung, für Kommunalkredite, für soziale Dienstleistungen
sowie für Rettungsdienste nicht gelten.
Und schließlich bedarf der Richtlinienentwurf der EU-Kommission
substantieller Nachbesserungen in den Fragen der interkommunalen
Zusammenarbeit, die zukünftig zwecks der Aufrechterhaltung eines
kostengünstigen Angebots öffentlicher Dienstleistungen für die Bürger
möglich bleiben muss. In diesem Sinne müssen sinnvolle
Synergie-Effekte weiterhin für den Fall der Übernahme von
Dienstleistungen einer Kommune für die andere z. B. bei
Winterstreudiensten oder Kantinenessen für Kindergärten und Schulen
nutzbar sein. Die ausschreibungsfreie Zusammenarbeit zwischen
Kommunen hat nicht zuletzt der Europäische Gerichtshof in seiner
jüngsten Rechtsprechung zugunsten kommunaler Handlungsfreiheit
bestätigt. Daneben besteht dringender Nachbesserungsbedarf bei der
Erteilung solcher Konzessionen an eigene kommunale Unternehmen
(sogenannte In-house-Vergabe) und insbesondere an eigene
Mehrspartenunternehmen (Stadtwerke). Nur so wird das bewährte
kommunalwirtschaftliche Modell der Erbringung der
Daseinsvorsorgeleistungen in Deutschland auch im europäischen Kontext
ausreichend berücksichtigt.
Hintergrund
Nach mehrmaliger Neuterminierung hat die Europäische Kommission am
20. Dezember 2011 einen Vorschlag für eine Konzessionsrichtlinie
veröffentlicht. Mit diesem Richtlinienvorschlag geht die
EU-Kommission deutlich über die bisherige Rechtsprechung des
Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zu den Regeln für die Erteilung von
Konzessionen hinaus. Die geplante Richtlinie würde die
Ausschreibungspflichten für Kommunen erheblich ausdehnen. Dies hätte
einschneidende Auswirkungen auf die kommunalen Strukturen in
Deutschland. Bereits im März 2012 hat der Bundesrat daher den
Richtlinienvorschlag eindeutig abgelehnt. Der Richtlinienvorschlag
liegt zurzeit zur Beratung in den Ausschüssen des Europäischen
Parlaments sowie den Ratsarbeitsgruppen des Ministerrates.
Änderungsanträge von Parlamentariern, die sowohl die komplette
Ablehnung der Richtlinie vorsehen, als auch Anträge, die einen
Ausnahmebereich für die Wasserwirtschaft, Rettungsdienste und
Kommunalkredite fordern, sind gestellt.
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