(ots) - Junge Menschen finden schneller gute
Jobs - Berufsanfänger aber schlecht informiert - Überalterte
Berufsschulkollegien
Das Ausbildungssystem in Deutschland schneidet im internationalen
Vergleich sehr gut ab: Weitaus mehr Berufsanfänger als in anderen
Ländern finden vergleichsweise schnell einen Job. Fehlende
finanzielle Mittel sind seltener eine Hürde beim Anstreben eines
weiterführenden Bildungsabschlusses. In kaum einem anderen Land ist
die berufliche Ausbildung im Vergleich zu einer akademischen Laufbahn
so hoch angesehen wie in Deutschland. Dies sind die zentralen
Ergebnisse einer internationalen Studie von McKinsey & Company mit
dem Titel "Education to Employment", die am Montag vorgestellt wurde.
Die Studie zeigt jedoch auch Schwächen des deutschen Systems auf:
"Nirgendwo sonst auf der Welt klaffen die Meinungen von Arbeitgebern
und Bildungseinrichtungen über die Qualität von Absolventen so weit
auseinander wie in Deutschland", sagt McKinsey-Bildungsexperte Kai
Holleben. Studenten und Auszubildende in Deutschland starteten ihre
Ausbildung zudem meist vergleichsweise wenig informiert. Auch die
demografische Entwicklung macht sich in Deutschland bereits jetzt
bemerkbar: "Berufsschulkollegien sind massiv überaltert - jeder
dritte Berufsschullehrer ist bereits über 50 Jahre alt", mahnt
Holleben.
Für die Studie führte McKinsey in neun Ländern weltweit mehr als
8.000 Interviews zur Ausbildungsmarktsituation durch, neben
Deutschland auch in den USA, Großbritannien, Brasilien, Indien, Saudi
Arabien, Mexiko, Türkei und Marokko. In jedem Land wurden
repräsentativ Stichproben von jungen Menschen im Alter von 15 bis 29
Jahren, Arbeitgebern und Vertretern von Bildungseinrichtungen dazu
befragt, wie sie die Vorbereitung auf das Berufsleben einschätzen,
nach welchen Kriterien sie wichtige Entscheidungen am Ãœbergang vom
Bildungssystem in den Arbeitsmarkt treffen und wie sie
Zukunftschancen sehen.
Der deutsche Arbeitsmarkt sieht für junge Menschen im
internationalen Vergleich sehr gut aus: Die Arbeitslosenquote unter
Jugendlichen liegt bei unter 10% und damit um die Hälfte niedriger
als im OECD-Schnitt von ca. 19%. "Als wesentlicher Erfolgsfaktor wird
dabei von Experten stets das deutsche duale System der
Berufsausbildung genannt, das die deutschen Berufsanfänger besser auf
den Eintritt in die Arbeitswelt vorbereitet", beschreibt
McKinsey-Berater Holleben die Situation. Die Studie belegt die
Vorteile dieses Systems: Berufseinsteiger finden schneller als ihre
Altersgenossen in allen anderen betrachteten Ländern eine dauerhafte
Arbeit: 70% der befragten jungen Berufstätigen in Deutschland hatten
spätestens drei Monate nach der Ausbildung einen Anstellungsvertrag
in der Tasche. Diese Werte liegen deutlich über dem Mittelwert der
analysierten Länder (54%).
Gebühren und Kosten für Berufsausbildung sind kein Hindernis
Im internationalen Vergleich spielen auch die Kosten einer
Berufsausbildung eine weitaus geringere Rolle als in anderen Ländern.
In Deutschland geben nur 17% der befragten Jugendlichen an, wegen
fehlender finanzieller Mittel keine weiterführenden
Bildungsabschlüsse anzustreben. Im internationalen Durchschnitt
beträgt dieser Wert 31%. Gründe für den guten Wert in Deutschland
sind nach Ansicht von McKinsey-Berater Holleben die im Vergleich
moderaten Studiengebühren und die Tatsache, dass Auszubildende eine
Vergütung erhalten.
Eine abgeschlossene Berufsausbildung "on the job" wird in allen
Ländern als bessere Vorbereitung auf das Berufsleben gesehen als ein
akademischer Abschluss (69% zu 31%). Zugleich wird aber das
Hochschulstudium höher angesehen als eine berufliche Ausbildung (64%
zu 36%). Auffallend dabei: Deutschland ist das einzige Land, in dem
sich die Anerkennung und Wertschätzung von Hochschulabschlüssen (51%
Präferenz) und beruflicher Ausbildung (49% Präferenz) etwa die Waage
halten.
Trotz des relativ guten Abschneidens zeigt die Studie nach Ansicht
von Holleben auch Schwächen des deutschen Ausbildungssystems. "Die
Frage, ob Berufsteinsteiger gut für den Einstieg in das Arbeitsleben
vorbereitet sind, beantworten nur 43% der Arbeitgeber positiv."
Dieser Wert liege im internationalen Vergleich trotz intensiver
Einbindung der Arbeitgeber in die berufliche Ausbildung nur im
Mittelfeld. Saudi-Arabien (55%), Indien (51%), USA (50%) und die
Türkei (49%) weisen höhere Werte auf.
Auch die Meinungen von Arbeitgebern und Bildungseinrichtungen über
die Einsatzbereitschaft von Absolventen klaffen in Deutschland weit
auseinander. Während Arbeitgeber diese mit 43% skeptisch werten, sind
die Bildungseinrichtungen mit 83% Zustimmung deutlich optimistischer.
"Diese Diskrepanz in der Wahrnehmung gibt es überall auf der Welt,
aber nirgends ist sie so groß wie in Deutschland", betont Holleben.
Sein Fazit: "Der Austausch zwischen Arbeitgebern und
Bildungseinrichtungen, z.B. Berufsschulen, über die Anforderungen an
Berufsanfänger funktioniert nicht optimal."
Als weiteres Manko stellt die Studie fest, dass Studenten und
Auszubildende in Deutschland ihre Ausbildung mit zu wenig
Informationen starten. Nur 43% der befragten Jugendlichen gaben an,
über die Konsequenzen der Wahl ihres Ausbildungsgangs zum Beispiel
auf die Berufsaussichten oder das Einstiegsgehalt informiert zu sein,
als sie sich entschieden haben. Dieser Wert liegt unter dem
Durchschnitt (45%), vor allem aber niedriger als in erfolgreichen
Schwellenländern wie Brasilien (51%), Mexico (50%) oder Indien (50%).
Schwächen im Ausbildungssystem gezielt beseitigen
"Das deutsche Ausbildungssystem ist sehr gut. Wir müssen an den
Schwächen aber gezielt arbeiten, um die Qualität zu erhalten und
weiter auszubauen", sagt McKinsey-Berater Holleben. Die Qualität der
beruflichen Ausbildung müsse verbessert werden, indem in die
Einrichtungen und das Lehrpersonal an Berufsschulen wieder mehr
investiert werde. Bereits eine im Oktober veröffentlichte Studie von
McKinsey über die Alterszusammensetzung der öffentlichen
Beschäftigten zeigte, dass die Berufsschulkollegien massiv überaltert
sind: 33% der Berufsschullehrer sind über 50 Jahre alt, nur 3% unter
30 Jahre.
Entscheidend sei zudem, dass die Bildungseinrichtungen das
Anspruchsniveau der Arbeitgeber besser verstünden. Das funktioniere
nur im direkten und gezielten Dialog. Das duale System und die
zunehmende Zahl betrieblicher Pflichtpraktika in Studiengängen auf
Grund des Bologna-Prozesses sollten dafür eine gute Plattform bilden.
Schließlich müsse die Transparenz bei Entscheidungen der Wahl des
Studien- bzw. Ausbildungsganges verbessert werden, so Holleben
weiter.
Für die Studie hat McKinsey auch eine Vielzahl von internationalen
Einrichtungen, Maßnahmen und Institutionen untersucht mit Fokus auf
deren Erfolg für den jeweiligen nationalen Ausbildungsmarkt. Als
einziges Erfolgsbeispiel in Deutschland nennt die Studie die
Bundesagentur für Arbeit und ihren regionalen Arbeitsmarktmonitor,
der die Konsequenzen beruflicher Entscheidungen vorbildlich aufzeige.
Die vollständige Studie finden Sie zum Download auf
http://mckinseyonsociety.com/education-to-employment/report/
Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an:
Kirsten Best, Telefon: 0211 136-4688,
E-Mail: Kirsten_Best(at)mckinsey.com