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Neue Tier- und Pflanzenarten in Deutschland:
- Ãœber 800 gebietsfremde Tier- und Pflanzenarten haben sich in
Deutschland bisher etablieren können
Seit vielen Jahren werden in Deutschland in der Natur neue Tier-
und Pflanzenarten beobachtet. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN)
geht von über 800 gebietsfremden Tier- und Pflanzenarten aus. "Diese
Arten wurden in Folge der Globalisierung eingeschleppt oder gar
bewusst ausgesetzt. Andere Arten sind hingegen Boten des Klimawandels
oder Rückkehrer, die schon einmal früher bei uns heimisch waren",
sagte BfN-Präsidentin Prof. Beate Jessel.
Die Wahrnehmung und Darstellung von neuen Arten in der
Öffentlichkeit sind oft undifferenziert und vielfach negativ: Ihr
Erscheinungsbild wird als "exotisch", "fremdartig", gelegentlich
"bunt" oder "niedlich" beschrieben, meist wird aber etwas
Bedrohliches suggeriert oder behauptet. "Nicht selten wird von
niedlichen Waschbären oder gefährlichen Schönheiten gesprochen. Im
Naturschutz spielen solche subjektiven Einschätzungen jedoch im Kern
keine Rolle. Sondern hier geht es um die Frage, welche Auswirkungen
die neuen Arten auf unser ökologisches Gefüge haben und ob
möglicherweise eine Gefahr für die heimische Tier- und Pflanzenwelt
besteht," so die BfN-Präsidentin. Das Bundesamt für Naturschutz lässt
in Forschungsvorhaben genau dieses prüfen und leitet den
Bundesländern entsprechende Informationen zu. Die Bundesländer
entscheiden selbst, ob Maßnahmen erforderlich sind. "Hier gilt es,
pragmatisch zu handeln", so Beate Jessel weiter, "speziell bei den
eingeschleppten Arten lautet die Maxime: Vorsorge statt teurer
Nachsorge."
Hintergrund Neue Tier- und Pflanzenarten: Bei den gemeinhin als
"neu" bezeichneten Arten sind nach Auffassung des BfN tatsächlich
fünf Typen zu unterscheiden, die sich nach ihrer Herkunft wiederum in
zwei Untergruppen aufteilen lassen:
- Natürliche Vorkommen: Die Dynamischen, die Einwanderer und die
Rückkehrer
- Anthropogene Vorkommen: Die Wiederangesiedelten, die
Eingeschleppten/Ausgesetzten (Neobiota)
Zu den dynamischen Arten zählt man einheimische Arten, die schon
lange in Deutschland vorkommen, die aber bestimmte Regionen neu oder
wieder besiedeln. Die Gründe für die Ausbreitung sind erfolgreiche
Naturschutzmaßnahmen oder der Klimawandel. Ein Beispiel ist der
Seeadler. Noch Mitte des letzten Jahrhunderts fast ausgestorben gibt
es heute wieder ungefähr 700 Brutpaare. Eine andere Art, die als
"Klimawanderer" sich in Deutschland und darüber hinaus ausbreitet,
ist die Stechpalme.
Die einwandernden Arten breiten sich auf natürliche Weise aus den
Nachbarländern in Deutschland aus, weil sie aufgrund günstiger
Erhaltungssituation oder des Klimawandels gute Lebensbedingungen
vorfinden. Ein Beispiel ist der Goldschakal, der aus Südost Europa
kommend schon mehrfach in Deutschland beobachtet wurde. Ein anderes
Beispiel ist der Meerfenchel, der seit einigen Jahren auf Helgoland
wächst.
Zu den Rückkehrern zählt man einheimische Arten, die ausgerottet
wurden und wieder aus den Nachbarländern nach Deutschland
zurückkehren, weil sich die Lebenssituation hier wieder verbessert
hat. Prominente Rückkehrer sind der Wolf und das Moosblümchen.
Die wiederangesiedelten Arten wurden bewusst und kontrolliert vom
Menschen ausgesetzt. Es sind ausgestorbene bzw. verschollene
einheimische Arten. Dazu gehört zum Beispiel der Europäische Stör,
der im Rahmen eines nationalen Aktionsplans wieder angesiedelt wird.
Weitere Beispiele sind Luchs, Biber und Würfelnatter.
Unter eingeschleppten/ausgesetzten Arten, auch Neobiota genannt,
versteht man gebietsfremde Arten, die ihr Verbreitungsgebiet nicht
auf natürliche Weise nach Deutschland ausgedehnt haben. Sie stammen
meist aus fernen Ländern wie USA oder China mit ähnlichen
klimatischen Verhältnissen wie in Mitteleuropa. Durch den Menschen
werden diese Arten aber absichtlich z.B. als Nutzpflanzen importiert
oder unabsichtlich z.B. im Ballastwasser von Containerfrachtern oder
in Frachtsendungen mittransportiert. Gelangen die gebietsfremden
Arten im neuen Gebiet in die Freiheit, können sie sich oft ungestört
ausbreiten und dabei oftmals unerwartete Auswirkungen zeigen, weil
unter anderen die natürlichen Gegenspieler (Feinde, Konkurrenten)
fehlen. Gebietsfremde Arten können dadurch die biologische Vielfalt
gefährden und immense ökonomische Schäden oder gesundheitliche
Probleme beim Menschen verursachen. Das BfN geht von über 800
Neobiota-Arten aus, die sich bisher in Deutschland etablieren
konnten. Insbesondere in den beiden naturschutzfachlich wichtigen
Gruppen, den Gefäßpflanzen und den Wirbeltieren, haben 432 bzw. 44
Arten überlebensfähige Populationen in freier Natur aufgebaut.
Beispiele sind die Kermesbeere, das Springkraut, das Heusenkraut, der
Chile-Flamingo, der Halsbandsittich und die Schwarzmundgrundel.
Welche Verpflichtungen ergeben sich aus Sicht des BfN für die
einzelnen Typen "neuer" Arten? Dynamische Ausbreitung, Einwanderung
und Rückkehr von Arten bereichern unsere biologische Vielfalt und
zeugen von einer natürlichen Dynamik der Fauna und Flora in
Deutschland und Europa. Sie sind als natürliche Prozesse aus Sicht
des Naturschutzes zu begrüßen, ggf. auch aktiv zu unterstützen.
Wiederansiedlungen können in Einzelfällen und auf der Grundlage
strenger Kriterien dazu beitragen, einstmals
ausgerottete/ausgestorbene Arten wieder heimisch zu machen. Die
Entscheidung über eine Wiederansiedlung erfordert eine strenge
einzelfallbezogene Prüfung, wobei neben den naturschutzfachlichen
Aspekten in besonderem Maße auch die Akzeptanz bei der betroffenen
Bevölkerung zu berücksichtigen ist. Eingeschleppte/ausgesetzte Arten
(Neobiota) können zur Gefährdung von Ökosystemen, Biotopen und Arten
führen, besonders wenn es sich bei den Neobiota um invasive Arten
handelt. Hier ist Vorsorge der beste Schutz. Bei schon in der freien
Natur vorhandenen Neobiota sollten sich Maßnahmen am
Gefährdungspotenzial der jeweiligen Art und den Erfolgsaussichten
orientieren, wie es auch das Bundesnaturschutzgesetz festschreibt.
Pressekontakt:
Bundesamt für Naturschutz
Franz August Emde
Referatsleiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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