(ots) -
Es sind Tage wie diese, irgendein grauverhangener Morgen im Januar
2013. Verdacht auf Herzinfarkt bei einem älteren Herrn in Freiburg.
Karambolage auf der A5 in Richtung Basel mit Schwerverletzten.
Krankentransport eines Patienten vom Kreiskrankenhaus einer
bayerischen Provinz ins Großklinikum Großhadern: Verdacht auf schwere
Niereninsuffizienz. Wer soll in solchen Notlagen ganz schnell
Erstversorgung und Weitertransport in Kliniken mit optimaler
Versorgung absolvieren? Es sind die Rettungs-Hubschrauber, die vor
allem im Dienst des ADAC und der DRF Luftrettung. Die fliegen
inzwischen, seit 2011, häufiger als je zuvor ihre lebensrettenden
Einsätze. Beim ADAC etwa waren das 47 315 Manöver - ein Anstieg um
7,3 Prozent im Vergleich zum Jahr 2010. Die DRF Luftrettung flog 2011
immerhin 35 075 Einsätze; ein Anstieg um 3 Prozent. Ob als
Geburtshelfer, bei Verkehrsunfällen oder bei drohendem
Herzstillstand: Fast immer geht es um lebensrettende Einsätze. ADAC,
die Stiftung DRF Luftrettung (bis 2008: "Deutsche Rettungsflugwacht")
und die Bundespolizei haben sich den deutschen Luftraum mit gut 80
Basisstationen untereinander aufgeteilt. So ist fast jedes Ziel in
Deutschland binnen zehn Flugminuten erreichbar.
"Bundesweit spezialisieren sich Kliniken immer stärker auf die
Behandlung bestimmter Krankheitsbilder", erklärt DRF-Vorstand Steffen
Lutz. Deshalb müssten häufiger Patienten mit dem Hubschrauber auf dem
schnellsten Wege in weiter entfernte Spezialkliniken verlegt werden.
Der Ärztemangel führe zudem besonders im ländlichen Raum zu Engpässen
im Rettungsdienst, ergänzt Frédéric Bruder, Geschäftsführer der ADAC-
Luftrettung, die mit "Christoph 22" in Ulm ebenfalls eine
Rettungsstation betreibt. Auch durch den demografischen Wandel
steigen die Rettungseinsätze. "Mit zunehmendem Alter steigt das
Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen", sagt Bruder.
Luftfahrt hilft Leben retten. Erst recht, wenn jede Minute zählt.
Wie viele Menschen genau es gewesen sind, die nur dank des schnellen
Lufttransports zum nächsten Krankenhaus überlebt haben, hat niemand
je gezählt. Aber es war ein achtjähriger Junge, Björn Steiger aus
Winnenden, dessen tragischer Unfalltod 1969 zur Einführung eines
flächendeckenden, schnelleren Rettungssystems führte. Erst eine
Stunde nach dem Autounfall, den Björn auf dem Heimweg vom Schwimmbad
erlitt, kam der Krankenwagen, und der Kleine starb noch auf dem Weg
ins Krankenhaus. Die von den Eltern des Jungen ins Leben gerufene
"Björn-Steiger-Stiftung" begann 1969, zunächst die Einführung des
Funksprechverkehrs im Krankentransport zu forcieren. 1971 erfolgte
der Aufbau des Notrufmeldesystems an Bundesstraßen und
Bundesautobahnen, 1972 sichert die Stiftung den Aufbau der
staatlichen Luftrettung, finanziert Gründung und Aufbau der Deutsche
Rettungsflugwacht, seit 1973 gibt es die flächendeckende Einführung
der Notrufnummer 110 / 112. Erst, nachdem bereits der ADAC den
"Christoph 1" 1970 als ersten zivilen Rettungs-Transporthubschrauber
in Dienst gestellt hatte, ließ sich zunächst das
Bundesinnenministerium von der Notwendigkeit überzeugen,
Rettungshubschrauber-Stationen in der Bundesrepublik einzurichten. So
ergab sich schließlich die Ergänzung des bodengebundenen
Rettungsdienstes durch Hubschrauber. Nicht zuletzt haben die
erschreckend angestiegenen Zahlen der Unfalltoten Ende der sechziger
Jahre zu dieser Entwicklung beigetragen. Aufgrund der nach dem Krieg
fast vollständig wiederhergestellten Infrastruktur und neueren,
schnelleren Automobiltypen hatten sich die Verkehrsfrequenz und auch
die Geschwindigkeit der Fahrzeuge enorm erhöht.
Diese Entwicklung in Sachen PS-Stärke und Autodichte hielt bis
heute ungebrochen an, aber allein die jährliche Zahl der Todesopfer
im Straßenverkehr verringerte sich von weit über 20 000 in den
sechziger Jahren auf heute 3500. Nicht zuletzt dank der schnellen
Helfer aus der Luft.
Die Luftrettung Deutschlands wird dominiert von der ADAC
Luftrettung, dem Betreiberkonsortium Team-DRF und dem
Katastrophenschutz, zu deren Hubschraubern noch die SAR-Luftrettung
der Luftwaffe und einige kleinere Luftfahrtunternehmen hinzukommen,
so etwa Heli-Flight im hessischen Reichelsheim. Die "Platzhirsche"
ADAC und DRF verfügen nicht nur über insgesamt 63
Rettungshubschrauber, sondern auch über komplette Ärzte-, Piloten-
und Mechanikerteams mit ständiger Einsatzbereitschaft. Allein die DRF
Luftrettung verfügt über 660 Notärzte, 320 Rettungsassistenten, 160
Piloten und 70 Mechaniker.
Dabei dominiert bisher die EC135 von Eurocopter weltweit den
Markt, jeder vierte HEMS ("Helicopter Emergency Medical Services")
Hubschrauber ist vom Muster EC135. Mittel- bis langfristig dürfte
dieser Typ vom modernsten, dem EC 145 abgelöst werden. Erst im
November 2011 hat die DRF Luftrettung einen Kaufvertrag über 25
Helikopter des Typs EC 145 in der neuen Variante T2 mit dem
Hersteller Eurocopter abgeschlossen, ein Auftragsvolumen von 200
Millionen Euro. Damit ist die deutsche Luftrettungsorganisation
größter Kunde dieses Helikoptertyps in Europa. Mit dem Kauf der
Maschinen wird die DRF Luftrettung innerhalb ihrer rot-weißen
Hubschrauberflotte sukzessive ihre bestehende BK117.
Die Bestellung der DRF Luftrettung übertrifft in ihrem Volumen bei
weitem die Bestellung des Bundes, als dieser bei der Bundespolizei
die Zivilschutzhubschrauber des Bundes von BO 105 auf EC 135
umstellte. Sowohl ADAC Luftrettung als auch DRF Luftrettung haben in
den vergangenen Jahren eine große Anzahl an neuen Maschinen des Typs
EC 135 in Empfang nehmen können, der "kleinen Schwester" der EC 145.
Von 2013 an bis 2015 werden die ersten fünf 145-er Maschinen
sukzessive an die DRF Luftrettung ausgeliefert und zum Einsatz im
24-Stunden-Luftrettungsdienst in Betrieb genommen. Die 20 weiteren
Hubschrauber des Auftrags sollen gestaffelt bis ins Jahr 2022
ausgeliefert werden.
Jörg Eyrich, Vorstand der DRF Luftrettung, erklärte, warum sich
die Organisation für dieses Baumuster entschieden hat: "Die EC145 T2
ist durch ihre Leistungsstärke und den Fenestron für den Einsatz in
der Luftrettung hervorragend geeignet. Gerade bei nächtlichen
Rettungseinsätzen bietet der ummantelte Heckrotor 'Fenestron' einen
zusätzlichen Sicherheitsaspekt. Schon durch die Einführung von
Nachtsichtbrillen als bundesweit einzige Luftrettungsorganisation
haben wir 2008 einen wichtigen Schritt zur Weiterentwicklung der
Luftrettung bei Nacht geleistet. Nach München und Regensburg werden
wir in Kürze auch von Berlin aus mit 'Night Vision Goggles' zu
nächtlichen Notfalleinsätzen fliegen. Mit dem Einsatz der EC145 T2
werden wir uns in unserem 24-Stunden-Flugbetrieb auf einen
Hubschrauber verlassen können, der für die vielseitigen Anforderungen
der modernen Luftrettung optimal geeignet ist." Aber nicht nur in
Deutschland ist Eurocopter an der Spitze der
Rettungstransporthubschrauber. Weltweit wurden in den letzten zehn
Jahren rund 700 Eurocopter Rettungshubschrauber ausgeliefert. Mit
einem Marktanteil von 69 Prozent ist Eurocopter mit Abstand der
erfolgreichste Hersteller von "Helicopter Emergency Medical
Services."
Eurocopter verweist zur EC 145 auf Innovationen, auf die das Haus
besonders stolz ist, zuvörderst auf den ummantelten Heckrotor
Fenestron, von dem man sich gesteigerte Sicherheit im Flugbetrieb
verspricht. Laut Eurocopter sind weitere entscheidende Merkmale die
deutlich gesteigerte Leistungsfähigkeit, speziell im einmotorigen
Betrieb, sowie ein geringerer Geräuschpegel der Maschine, der den
Hubschrauber zum leisesten seiner Klasse macht. Ein neu entwickeltes
Avionik-System mit 4-Achsen-Autopilot und eine satellitengestützte
Navigation entlasten den Piloten und gewährleisten somit deutlich
mehr Flugsicherheit an Bord. Das heißt, dass die fliegenden
"Notarztwagen", mit aller notfallmedizinischen Ausrüstung und mit
intensivmedizinischen Überwachungsgeräten ausgestattet, jetzt auch
ungünstigere Wetter- und Nachtflugbedingungen besser meistern können.
Aber auch das "Interieur" für diese fliegenden Notarztwagen
unterliegt unterschiedlichsten Anforderungen. Zur Standardausrüstung
gehören vom EKG-Gerät über den Defibrillator und das Beatmungsgerät
auch der Notfallkoffer, das Equipment zur Blutdruckmessung, zur
Verabreichung von Klinischem Sauerstoff bis hin natürlich zur
Krankentrage. Aber auch Rettungswinden zur Rettung aus schwierigen
Lagen, Fixtausysteme zur Bergrettung, Hilfsgeräte zur Wasserrettung,
Stehhaltegurtsystem zum sicheren Arbeiten auf der Kufe im Flug können
vonnöten sein.
Eurocopter bietet da seinen weltweiten Kunden eine große Auswahl
von Paketen und Einzellösungen bezüglich der Rettungsausrüstung an,
aus denen diese auswählen können. Anschließend werden die Teile bei
den Zulieferern gebaut und im Normalfall bei Eurocopter Deutschland
für die EC135 und EC145 Hubschrauber eingebaut. Marktführend unter
den medizintechnischen Zulieferern sind dabei die AAT (Air Ambulance
Technology GmbH) für Fördersysteme und Automatisierungstechnik in
Österreich sowie die Aerolite Max Bucher AG in der Schweiz.
Nach Amerika liefert Eurocopter im Normalfall einen "grünen"
Hubschrauber an die Tochterfirma American Eurocopter AEC in Dallas.
Diese verkauft dann den Hubschrauber auf dem amerikanischen
HEMS-Markt (der ist der größte weltweit, etwa die Hälfte der weltweit
eingesetzten Rettungshubschrauber fliegen dort). In Amerika arbeiten
vor allem die Ausrüster Metro Aviation, Inc., sowie die United
Rotorcraft für die Innenausstattung der
Eurocopter-Rettungshubschrauber.
Die bisher von vielen Rettungsflugteams eingesetzten Hubschrauber
des Typs BK 117 sind Vertreter eines im höchsten Maße bewährten
Baumusters. Die sind in vielen Varianten und Ländern rund um den
Globus in der Luftrettung aktiv, in Deutschland seit Mitte der 1980er
Jahre. Die BK 117 wurde von MBB entwickelt und nach der Gründung von
Eurocopter durch Eurocopter weiter betreut. Die ebenfalls
zweimotorige BK 117 wird vor allem für ihr gutes Verhältnis von
Kabinengröße und Leistungsmaxima geschätzt. Die neuen EC 145 T2
treten also kein leichtes Erbe an, weil die BK 117 die Messlatte sehr
hoch gelegt hat.
Welcher Hubschraubertyp auch immer: Luftfahrt hilft Leben retten,
wenn jede Minute zählt. In der Luft lassen sich längere Wege in
kurzer Zeit und im Gegensatz zum Straßenfahrzeug mit weniger
Vibration und Erschütterung zugunsten der Unfall- und medizinischen
Notfallopfer zurücklegen.
Der schwer verletzte Björn Steiger hätte damals, 1969, eine große
Überlebenschance gehabt - hätte es denn die Retter, die vom Himmel
kommen, schon gegeben.
Ansprechpartner:
Wolfgang Scheunemann, dokeo
Telefon: 0711-633 969 80
E-Mail: info(at)luftfahrt-industrie.de