(ots) - Ventil der Unzufriedenheit
Wer auch immer hinter der Ermordung des Oppositionspolitikers
Chokri Belaïd steckt: Diese verwerfliche Tat hat die angespannte Lage
in Tunesien eskalieren lassen. Die Proteste erinnern an Szenen aus
Ägypten, wo seit Monaten Menschen gegen die islamistische Regierung
demonstrieren. Die aufgebrachten Bürger sind nicht nur entsetzt über
das Attentat. Ihr Aufbegehren ist ein Ventil für eine allgemeine
Unzufriedenheit mit der Arbeit der Ãœbergangsregierung. Als
Hoffnungsträger für ein neues Tunesien war die Ennahda-Partei als
stärkste Kraft aus den Parlamentswahlen im Oktober 2011
hervorgegangen. Sie versprach, alles besser zu machen als der
geflohene Langzeit-Diktator Zine al-Abidine Ben Ali.
Von der Euphorie ist nichts geblieben in jenem Land, in dem die
Umbrüche in der arabischen Welt ihren Anfang nahmen. Die
Arbeitslosigkeit ist höher als vor der Revolution, die Wirtschaft
liegt am Boden, die Lebensmittelpreise steigen und steigen. Dass die
verfassunggebende Versammlung mit ihrer Arbeit kaum vorankommt, sorgt
für eine gefährliche politische Stagnation. Dabei braucht Tunesien
genau das dringend: eine Verfassung, damit endlich Wahlen angesetzt
werden. An der Urne sollten die Menschen ihrem Unmut Luft machen
können und anderen Parteien ihre Stimme geben, wenn sie mit der
Ennahda unzufrieden sind. Nur so funktioniert Demokratie.
Franziska Holthaus
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