(ots) - Man achtet uns in Europa, aber man liebt uns nicht.
Man bewundert uns ob unserer Tüchtigkeit, aber man nimmt uns kaum zum
Vorbild. Man beneidet uns ob unseres Erfolgs, aber man eifert uns
nicht nach. Kurzum: Der Rest Europas schaut mit sehr gemischten
Gefühlen auf Deutschland, viele fürchten sich - zumindest insgeheim -
sogar vor uns. Joachim Gauck hat gestern in seiner ersten großen Rede
das ganze Gewicht seines Amtes und die hohe Integrität seiner Person
dazu genutzt, für uns zu werben. Man kann mit Fug und Recht sagen: Er
hat den an sich selbst gestellten Auftrag mit Bravour erfüllt. Elf
Monate hat er sich Zeit gelassen. Nicht wenige sind schon ungeduldig,
so mancher unsicher geworden. Wo, so lautete die nicht laut gestellte
Frage, bleibt Grundsätzliches aus dem Mund des ersten Mannes im Staat
in einer Zeit, in der die Menschen hierzulande zur Orientierung
Einordnung brauchen und unsere Nachbarn klare Signale, dass wir, wie
Gauck brillant formuliert, "kein deutsches Europa wollen, sondern ein
europäisches Deutschland"? Das vereinte Europa auf die gemeinsame
Währung zu reduzieren, verstelle den Blick auf die Werte, auf denen
Europa ruhe und aus denen es Kraft schöpfe: Frieden und Freiheit,
Menschenrechte und Solidarität. "Identitätsstiftend" nennt sie Gauck
zu recht. Der Weg zu einem vorbehaltlosen Miteinander in Europa ist
trotz aller Erfolge noch weit. Der Bundespräsident steht nicht an,
das ganz nüchtern nicht nur uns, seinen Mitbürgern, sondern auch
unseren Nachbarn ins Stammbuch zu schreiben. Joachim Gaucks Rede
gereicht ihm und uns zur Ehre, und deshalb hat es sich gelohnt, elf
Monate zu warten.
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