(ots) - Nun soll er Tunesien aus der Krise führen. Dabei
ist der neue Regierungschef Ali Larayedh kaum mehr als ein härterer
Widergänger des zurückgetretenen Hammadi Jebali. Beide haben im
Gefängnis Unsagbares erduldet und sahen sich nach dem Sturz von
Diktator Ben Ali plötzlich an die Spitze des Staates katapultiert -
der eine als Innenminister, der andere als erster demokratischer
Premier. Solche Karrieren faszinieren, vermitteln ein Gefühl von
Genugtuung, ja historischer Gerechtigkeit. Aber sie bringen nicht
automatisch gute Politiker hervor.
Und je länger die Wirtschaftsmisere und die innere Zerrüttung in
Tunesien andauern, je gewalttätiger sich Islamisten und Säkulare
ineinander verkeilen, desto fragwürdiger werden diese
postrevolutionären Auswahlkriterien für staatliche Spitzenämter.
Ausgelöst durch den Mord an dem linken Volkstribun Chokri Belaïd ist
Tunesien nun auf die gleiche schiefe Bahn geraten wie Ägypten unter
Mohammed Mursi. Plötzlich setzt auch der aufgeklärte Ennahdha-Chef
Raschid Ghannouchi auf islamistische Linientreue und ideologische
Profilschärfe. Tunesien wird das nicht gut bekommen. Und bei der
Bevölkerung wird sich das Gefühl verstärken, dass man zwar eine
Revolution gemacht, aber lediglich einen fundamentalen Machtwechsel
bekommen hat.
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