(ots) - Das, was Italien in seiner Krise unbedingt
gebraucht hätte und was Europa dringend von seiner drittgrößten
Volkswirtschaft erhoffte, ist bei dieser Parlamentswahl klar verfehlt
worden: eine stabile, handlungsfähige Regierungsmehrheit. So taumelt
Italien weiter - gebannt vom wahlkämpferischen Genie eines Silvio
Berlusconi und eines kongenialen, genauso windigen Stimmenfängers wie
Beppe Grillo. Das zählt offenbar in diesem Land: der Auftritt, die
Fassade, die Fähigkeit, Leute zu verführen. Nicht hingegen die
Inhalte, das Verantwortungsbewusstsein, die Programme.
In einem normalen Land würden sich CDU und SPD zu einer Großen
Koalition zusammenraufen, wenn anders keine parlamentarischen
Mehrheiten zu organisieren wären und Handlungsfähigkeit nötig wäre.
Aber Italien ist kein normales Land. Eine Große Koalition gäbe es
erst, wenn Berlusconi abträte, aber das ist heute weniger
wahrscheinlich als je zuvor. Und wenn es keine Große Koalition gibt,
dann gibt es auch keine Regierungsmehrheit. Was will Italien in
dieser Lage machen - außer in ein paar Wochen noch mal neu zu wählen?
Mit womöglich nur um Zehntelprozente veränderten Ergebnissen?
Die Protestbewegung von Beppe Grillo ist eine Erscheinungsform,
das Fieber zu einer viel tiefer liegenden Krankheit: zur Entfremdung,
zur Verständnislosigkeit der Italiener gegenüber der Politik oder
letztlich zum Sinn von Demokratie. Diejenigen, die bisher herrschten,
haben nichts dafür getan, ihr Volk in Sachen Demokratie zu schulen;
im Gegenteil: sie selbst haben die demokratischen Standards
korrumpiert, den politischen Betrieb zu einem Selbstbedienungsladen
umgestaltet. Die Quittung kommt jetzt, und sie geht womöglich zu
Lasten von ganz Europa. Dieser Montag war ein rabenschwarzer Tag für
Italien und für die Stabilität Europas.
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