(PresseBox) - Am 1. März 1918 erschien die allererste DIN-Norm, damals noch Deutsche Industrie Norm, unter der Bezeichnung DI Norm 1. Sie legte Maße und Werkstoffe für Kegelstifte fest. Das sind konische Verbindungselemente, die in entsprechende Bohrungen eingebracht werden, um Maschinenteile (in wieder lösbaren Verbindungen) zusammenzuhalten.
Die Veröffentlichung der Norm erfolgte gerade mal zehn Wochen nach Gründung des Normenausschusses der Deutschen Industrie im Dezember 1917. Auch wenn man damals das fünfte Kriegsjahr schrieb, so schnell schossen auch die preußischen Normer nicht, sondern sie gingen sehr sorgfältig zu Werke. Die Vorarbeiten begannen bereits im Sommer 1917 unter dem Dach des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) in einem Gremium, das sich Normalienausschuss für den deutschen Maschinenbau nannte. Zunächst wurde eine Umfrage bei 120 Maschinenbauunternehmen durchgeführt, von denen 80 Unternehmen teilweise ausführliche Antworten auf die Fragen nach ihren praktischen Erfahrungen mit Kegelstiften zurückschickten. Alle sprachen sich für eine Vereinheitlichung aus.
In der den Unternehmen mitgeschickten Entwurfsfassung, die noch als VDI-Norm 1 bezeichnet wurde, hat der Ausschuss die zu erwartenden wirtschaftlichen Vorteile gleich aufgeführt: Massenfertigung, größere Genauigkeit, schnellere und billigere Beschaffung sowie Beschränkung der Lagervorräte. Besonders wichtig war die Festlegung der Kegelsteigung der Stifte mit 1 zu 50, denn gerade durch unterschiedliche, technisch nicht zu rechtfertigende Steigungen wurde die breite Einführung dieser einfachen Maschinenelemente in der Industrie behindert - trotz deren anerkanntem Nutzen. Die Verbraucher scheuten sich vor dem, was man heute den Lock-in- oder Anbindeeffekt nennt, die Abhängigkeit von einem Hersteller, der wohl gerade deswegen ein unterschiedliches Maßsystem verwendete, um den Abnehmer der Stifte auch zum Kauf der dazugehörigen Werkzeuge zu veranlassen.
Warum einem vergleichsweise so bescheidenen Maschinenelement wie dem Kegelstift die Ehre der ersten deutschen Norm zuteilwurde, lässt sich nicht mehr feststellen. Vielleicht ist aber der Wunsch, ihn aufzuwerten oder interessanter zu machen, dafür verantwortlich, dass seit einigen Jahren vielfach behauptet wird, er wäre extra für das bekannte Maschinengewehr 08/15 bestimmt gewesen. Das ist bisher nicht belegt und wenig wahrscheinlich. Die Fachbücher sind sich einig, dass der Kegelstift im Maschinenbau gute Dienste bei der Lagesicherung und Zentrierung von Bauteilen, zum Beispiel im Vorrichtungsbau, leistet, dass er form- und reibschlüssige Verbindungen bilden kann, aber auch dass diese Verbindungen nicht rüttelfest sind. Sie eignen sich nicht für Verbindungen, auf die Erschütterungen und Schläge einwirken. Was rüttelt sich und schüttelt sich aber heftiger als ein Maschinengewehr im Einsatz, bei dem einen Rückstoßverstärker ein funktional wichtiges Teil der Konstruktion ist?
Wie alle bis März 1919 veröffentlichten Normen erschien DI-Norm 1 in dem damals vorgeschlagenen Zeichnungsformat (250 mm x 350 mm), damit sie bei Bedarf für die Ablage in Sammelmappen auf Postquartformat (225 mm x 285 mm) oder Reichsformat (210 mm x 330 mm) beschnitten werden konnten. Nach Festlegung des Zeichnungsformats auf 230 mm x 320 mm wurde im März 1919 in DI Norm 4 diese Maße auch für die Normblätter übernommen. Erst mit der Veröffentlichung der DIN 476 ?Papierformate? im August 1922 wurden DIN-Normen im Format A4 gedruckt. DIN 1 wurde zuletzt 1981 herausgegeben und ist im Oktober 1992 inhaltlich in eine Europäische Norm, DIN EN 22339, überführt worden.