(ots) - Verqueres Rechtsverständnis
Verkehrte Welt: Ausgerechnet Richter, Staatsanwälte und
Verteidiger sollen sich künftig stärker an Recht und Gesetz halten.
Dass diese Mahnung des Bundesverfassungsgerichtes überhaupt notwendig
ist, entlarvt das erschreckende Ausmaß informeller Deals in
Strafprozessen. Da wird geklüngelt und gepokert, Hauptsache, es geht
schnell.
Mag sein, dass Deals in der Praxis als unumgänglich gelten, um den
Justizapparat zu entlasten. Doch das darf keine Rechtfertigung dafür
sein, dass sie jenseits der gesetzlichen Vorgaben ausgetüftelt
werden. Dem eigentlichen Sinn und Zweck eines Strafprozesses werden
diese Kompromisse grundsätzlich nicht gerecht: den Angeklagten
entsprechend seines Vergehens zu bestrafen. Deals höhlen dieses
Prinzip aus, machen Schuld zu einer Ware, über die verhandelt werden
kann. Und wie auf dem Wochenmarkt schlägt am Ende derjenige das Beste
heraus, der am gewieftesten feilschen kann, welch ein verqueres
Rechtsverständnis.
Der erhobene Zeigefinger der höchsten Bundesrichter wird wohl
wirkungslos bleiben. Wer soll schließlich kontrollieren, ob
Absprachen im Rahmen des Gesetzes geschehen, wenn alle
Verantwortlichen gleichermaßen mitmachen? Um diesem Trend
entgegenzuwirken, braucht es mehr Richter, auf deren Schultern sich
die Last verteilt. Dann könnte echte Rechtsprechung wieder in den
Mittelpunkt rücken.
Franziska Holthaus
Pressekontakt:
Neue Osnabrücker Zeitung
Redaktion
Telefon: +49(0)541/310 207