(ots) - Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat
heute sein lang erwartetes Urteil zur Missbrauchskontrolle einer in
deutschen Gasversorgungsverträgen häufig verwendeten
Preisänderungsklausel verkündet. Danach ist es nun Sache des
deutschen Bundesgerichtshofs (BGH) darüber zu entscheiden, ob diese
Klausel missbräuchlich ist und den Anforderungen an Treu und Glauben,
Ausgewogenheit und Transparenz genügt. Der Verband kommunaler
Unternehmen (VKU) begrüßt die Entscheidung. Denn der EuGH bestätigt
damit, dass die Konkretisierung der europäischen Vorgaben an den
Verbraucherschutz den Mitgliedstaaten und deren Kontrolle den
nationalen Gerichten obliegt.
Hintergrund der EuGH-Entscheidung ist ein vor dem
Bundesgerichtshof (BGH) anhängiger Rechtsstreit zwischen der
Verbraucherzentrale NRW und der RWE Vertrieb AG. Dabei geht es um die
Wirksamkeit von Gaspreisänderungen in der Zeit vom 1. Januar 2003 bis
1. Oktober 2005. Grundlage dieser Preisänderungen war eine
vertragliche Klausel, die 1:1 der gesetzlichen Preisänderungsregelung
des § 4 Abs. 2 der bis zum 8. November 2006 geltenden Verordnung über
Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden
(AVBGasV) entspricht. Die Klausel erlaubt dem Gasversorger einseitige
Preisänderungen während der Vertragslaufzeit.
Der BGH hatte dem EuGH hierzu die Fragen vorgelegt, ob eine dem §
4 Abs. 2 AVBGasV inhaltsgleich entsprechende Preisänderungsklausel in
Gaslieferverträgen mit Verbrauchern (Sonderverträgen) der
Missbrauchskontrolle unterliegt und den europäischen
Transparenzvorgaben entspricht. Der EuGH stellt fest, dass er nicht
über diesen nationalen Rechtsstreit abschließend ent-scheiden kann,
sondern es nun Sache des BGH ist, im Einklang mit der
EuGH-Entscheidung den Rechtsstreit zu beurteilen. "Die Frage der
Wirksamkeit der streitigen Preisänderungsklausel und die damit
verbundene Feststellung der Wirksamkeit der darauf beruhenden
Preisänderungen entscheidet somit nur der Bundesgerichtshof", so
VKU-Hauptgeschäftsführer Hans-Joachim Reck.
Der EuGH kommt zu dem Ergebnis, dass die streitige
Preisänderungsklausel grundsätzlich der Missbrauchskontrolle
unterliegt, weil sie verbindlich nur für die Versorgung von
Tarifkunden, nicht hingegen für Sonderverträge galt. Gleichwohl hat
der Gasversorger auch bei diesen Verträgen das Recht, die Preise für
seine Leistungen einseitig zu ändern. Dies ist vom europäischen
Gesetzgeber anerkannt. Allerdings muss eine Vertragsklausel, die eine
solche einseitige Anpassung erlaubt, den Anforderungen an Treu und
Glauben, Ausgewogenheit und Transparenz genügen. Daher müssen im
Vertrag der Anlass und der Modus der Preisänderung so transparent
dargestellt werden, dass der Verbraucher die etwaigen Änderungen der
Entgelte anhand klarer und verständlicher Kriterien absehen kann.
Außerdem muss der Verbraucher bei Preisänderung von der ihm
eingeräumten Kündigungsmöglichkeit unter den gegebenen Bedingungen
auch tatsächlich Gebrauch machen können. Ob diese Anforderungen in
jedem Einzelfall erfüllt sind, müssen die nationalen Gerichte
entscheiden, so der EuGH in seiner Bewertung. Der BGH geht in seiner
Rechtsprechung bislang davon aus, dass die unveränderte vertragliche
Ãœbernahme der gesetzlichen Bestimmungen der AVBGasV mit den
europäischen Vorgaben im Einklang steht und den Verbraucher nicht
benachteiligt. Dieser sogenannten Leitbildfunktion sind daher viele
deutsche Gaslieferanten bei der Formulierung ihrer
sondervertraglichen Preisänderungsklauseln gefolgt. "Sollten diese
Klauseln dennoch formal-juristisch unwirksam gewesen sein, bedeutet
dies aber nicht zwangsläufig, dass kein Recht zu Preisänderungen
bestand", stellt Reck fest.
Nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH ist der
Energielieferant berechtigt, insbesondere Änderungen der Bezugspreise
an seinen Kunden im laufenden Vertragsverhältnis weiterzugeben.
Anderenfalls entstünde angesichts der Entwicklung der Energiepreise
bei langfristigen Versorgungsverträgen regelmäßig ein gravierendes
Ungleichgewicht zu Lasten des Energielieferanten. "Daher hat der BGH
deutlich gemacht, dass die formale Unwirksamkeit von Preisänderungen
rückwirkend nicht ohne zeitliche Begrenzung geltend gemacht werden
kann. Dies gilt nach den letzten BGH-Urteilen aus dem Januar diesen
Jahres gerade auch vor dem Hintergrund der EuGH-Rechtsprechung zur
Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen", so
Reck.
Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) vertritt über 1.400
kommunalwirtschaftliche Unternehmen in den Bereichen Energie,
Wasser/Abwasser und Abfallwirtschaft. Mit 235.000 Beschäftigten
wurden 2010 Umsatzerlöse von rund 95 Milliarden Euro erwirtschaftet
und etwa 8 Milliarden Euro investiert. Die VKU-Mitgliedsunternehmen
haben im Endkundensegment einen Marktanteil von 49,1 Prozent in der
Strom-, 58,4 Prozent in der Erdgas-, 77,2 Prozent in der
Trinkwasser-, 60,0 Prozent in der Wärmeversorgung und 16,5 Prozent in
der Abwasserentsorgung
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