(ots) - Reporter ohne Grenzen ruft Bundeskanzlerin Angela
Merkel auf, bei ihrem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir
Putin am Sonntag (7. April) ihre Sorge um die zunehmende Kontrolle
des Internets in Russland zum Ausdruck zu bringen. "Die neuen Regeln,
die angeblich Kinder und Jugendliche schützen sollen, sind so
schwammig formuliert, dass sie leicht gegen Oppositionelle und
kritische Medien benutzt werden können", sagte ROG-Geschäftsführer
Christian Mihr in Berlin. "Es ist hochproblematisch, wenn einige
wenige Beamte darüber entscheiden, welche Seiten sich Nutzer
anschauen dürfen und welche nicht."
Seit November 2012 führt die russische Medienaufsichtsbehörde
Roskomnadsor eine schwarze Liste von Webseiten, die Internetprovider
im Land blockieren müssen (http://zapret-info.gov.ru). Offiziell
dient sie dem Jugendschutz und soll Pornografie und Themen wie
Drogenkonsum oder Selbstmord aus dem Netz fernhalten. Doch schon kurz
nach dem Start fanden sich darauf auch Seiten von Oppositionellen und
angeblichen Extremisten. So sperrte der russische Blog-Anbieter Live
Journal im Februar das Konto von Michael Jakowlew, dem
Oppositionsführer in Russlands siebtgrößter Stadt Omsk
(http://bit.ly/10ecilb). Kurz zuvor hatte der Youtube-Beitreiber
Google vor einem Moskauer Gericht gegen die Sperrung eines angeblich
jugendgefährdenden Videos geklagt (http://bit.ly/YgCk7S).
Mehr als 2000 Seiten finden sich Angaben der russischen
Piratenpartei zufolge inzwischen auf der schwarzen Liste
(http://rublacklist.net). Vor allem Seiten über Homosexualität und
"Extremismus", Glücksspiel und Drogen seien in den vergangenen
Monaten gesperrt worden, so der russische Journalist Andrej Soldatow.
Er hat sich mit seiner Webseite Agentura.ru auf Ãœberwachung und
Geheimdienste spezialisiert und dokumentiert akribisch alle bekannten
Fälle von Internetzensur (http://bit.ly/16wCUnW). Soldatow berichtet
von einem Experiment in der Region Kostroma, wo lokale
Internetprovider ihren Nutzern nur noch Zugang zu einem "gesäuberten"
Internet anböten.
Doch es sind nicht nur strenge Internetgesetze, die die
Pressefreiheit in Russland bedrohen. Im März verabschiedete das
Parlament ein Gesetz, das den Gebrauch von Schimpfwörtern in den
Medien verbietet und dafür bis zu 5000 Euro Strafe vorsieht. Dies
hielt selbst die russische Regierung für so unpräzise, dass sie die
Abgeordneten bat, das Gesetz noch einmal zu überarbeiten. Im November
2012 hatten Abgeordnete der Regierungspartei Einiges Russland
versucht, das umstrittene Agentengesetz von
Nichtregierungsorganisationen auf Medien auszuweiten. Medien, die
über russische Politik berichten und sich zu 50 Prozent aus dem
Ausland finanzieren, müssten sich als ausländische Agenten
registrieren, forderten sie in ihrem Gesetzvorschlag.
Nur wenige Medien wagen in dieser Lage noch offene Kritik an der
Regierung. Zu ihnen gehören der Internet-Sender Doschd TV, die
Boulevard-Zeitung Moskowski Komsomolez, die Zeitung Nowaja Gaseta und
der Radiosender Echo Moskwy. Auf der ROG Rangliste der Pressefreiheit
steht Russland auf Platz 148 von 179 - nur zwei Plätze vor dem Irak.
Nowaja Gaseta-Chefredakteur Dmitri Muratow zeichnete zum 20-jährigen
Jubiläum seiner Zeitung ein entsprechend düsteres Bild: In Russland
habe die Presse ihre grundlegende Aufgabe aufgegeben, die Mächtigen
zu kontrollieren. "Heute kontrollieren die Medien eher die
Bevölkerung", so Muratow (bit.ly/14SyvwE).
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