(ots) - Eine Frage der Pietät
Obwohl die Briten gerne - und oft zu Recht - für sich eine
Fair-Play-Philosophie beanspruchen, haben Tausende in den vergangenen
Tagen böse Fouls begangen. Nach dem Tod der früheren
Premierministerin Margaret Thatcher traten politische Gegner,
Wichtigtuer und einstige Opfer von Thatchers berüchtigter Sozial-Axt
noch mal so richtig nach: mit Jubelpartys, Hass-Mails und übelstem
Spott, der selbst den nicht gerade zimperlichen britischen Humor noch
unterbot. Dagegen ist der in die Charts gewählte Musical-Hit "Ding,
dong, die Hex ist tot" harmlos.
Zugegeben, mit Thatcher starb eine Politikerin, die mit ihrer
neoliberalen Politik der Kälte polarisierte, provozierte und das
eigene Volk spaltete. Etwa, als sie eine Viertelmillion Bergleute
arbeitslos machte. Die britische Pop- und Punkmusik der
Achtzigerjahre ist undenkbar ohne den Widerstand gegen die
umstrittene Regierungschefin - man denke an The Specials, Paul
Weller, Elvis Costello und The Smiths. Der kreative Ausbruch des
Zorns hatte seine Berechtigung - damals.
Doch ein Verstorbener kann sich nicht mehr wehren. Das bedeutet
nicht, nur Lobeshymnen auf ihn anzustimmen. Mehr Anstand und Pietät
sind jedoch geboten, selbst bei einer Reizfigur. Angesichts der
Kontroverse um das politische Erbe Thatchers wäre es besser gewesen,
die Trauerfeier abzuspecken, um die Gemüter zu kühlen. Immerhin fand
Londons Bischof Richard Chartres die richtigen Worte: Dies ist ein
Ort für simples Mitgefühl.
Marcus Tackenberg
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