(ots) - Das Deutsche Institut für Menschenrechte begrüßt
die gestern veröffentlichte Entscheidung des
UN-Antirassismus-Ausschusses. Dieser hat festgestellt, dass
Deutschland seine Bevölkerung im Fall Thilo Sarrazin nicht
ausreichend vor rassistischen Äußerungen geschützt hat. Gegenstand
des Verfahrens war die Einstellung des strafrechtlichen
Ermittlungsverfahrens gegen Sarrazin wegen seines Interviews in
"Lettre International" im Herbst 2009. Das damalige Vorstandsmitglied
der Deutschen Bundesbank hatte sich in dem Interview verächtlich,
herabwürdigend und verdinglichend über Menschen, insbesondere mit
türkischem und arabischem Migrationshintergrund, geäußert.
Die Entscheidung des UN-Ausschusses geht auf eine Beschwerde des
Türkischen Bundes Berlin-Brandenburg (TBB) zurück. Dieser und mehrere
Einzelpersonen hatten nach Erscheinen des Interviews Strafanzeige
wegen Volksverhetzung (§ 130 Strafgesetzbuch) und Beleidigung (§ 185
Strafgesetzbuch) gestellt. Das Ermittlungsverfahren gegen Sarrazin
wurde eingestellt, zu einer strafrechtlichen Anklage kam es daher
nicht. Daraufhin hatte der TBB eine Beschwerde beim
UN-Antirassismus-Ausschuss eingereicht.
Beate Rudolf, Direktorin des Deutschen Instituts für
Menschenrechte, erklärt: "Der Ausschuss hat klargestellt, dass
Deutschland seinen menschenrechtlichen Schutzpflichten aus der
Antirassismus-Konvention nicht nachgekommen ist. In dem
Ermittlungsverfahren gegen Sarrazin sei nicht ausreichend der Frage
nachgegangen worden, ob seine Äußerungen rassistisches Gedankengut
beinhalteten. Damit habe Deutschland seine menschenrechtliche
Verpflichtung zu effektivem Rechtsschutz gegen rassistische
Äußerungen verletzt. Der Ausschuss hat unter Hinweis auf seine
bestehende Spruchpraxis hervorgehoben, dass die Ausübung des Rechts
auf freie Meinungsäußerung Grenzen hat. Zu diesen Grenzen gehört
insbesondere die Verbreitung rassistischen Gedankenguts.
Der Ausschuss hat keinen Zweifel daran gelassen, dass die Aussagen
Sarrazins in dem Interview rassistisch waren. Überdies hätten sie
nach der Anti-Rassismus-Konvention auch sanktioniert werden müssen.
Der Ausschuss ist insbesondere zu der Auffassung gelangt, dass die
Aussagen Sarrazins rassistisches Gedankengut beinhalten, die den
Betroffenen ihren Achtungsanspruch als Menschen absprechen und ihnen
in verallgemeinernder Weise negative Eigenschaften zuschreiben. Die
Entscheidung des Ausschusses hat über den Einzelfall hinaus
Bedeutung: Gesetzeslage und Praxis im Bereich der Strafverfolgung von
rassistischen Äußerungen sind im Lichte der Entscheidung auf den
Prüfstand zu stellen, um die von solchen Äußerungen unmittelbar
Betroffenen wirksam zu schützen und die Menschenwürde als Grundlage
unseres Gemeinwesens zu verteidigen."
Das Institut hat in dem Verfahren vor dem UN-Ausschuss eine
Stellungnahme als unabhängiger Dritter abgegeben und damit seine
Funktion als Nationale Menschenrechtsinstitution wahrgenommen, den
Menschenrechtschutz in Deutschland zu befördern.
Hintergrundinformationen zur Stellungnahme des Deutschen Instituts
für Menschenrechte im Verfahren vor dem UN-Anti-Rassismus-Ausschuss
Türkischer Bund in Berlin-Brandenburg e.V. gegen Deutschland
(Beschwerde- Nr. 48/2010) Link: http://ots.de/7SzuV
Stellungnahme des Deutschen Instituts für Menschenrechte im
Verfahren vor dem UN-Anti-Rassismus-Ausschuss Türkischer Bund in
Berlin-Brandenburg e.V. gegen Deutschland Link: http://ots.de/7SzuV
Entscheidung des UN-Antirassismus-Ausschuss, 4. April 2013:
http://www2.ohchr.org/english/bodies/cerd/jurisprudence.htm
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