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Dritter Messekongress „Gesundheit und Versorgung – Innovative Formen der Zusammenarbeit“ – Ein Überblick

ID: 859937

[Leipzig, 23. April 2013] Eine qualitätsgesicherte und nachhaltige Patientenversorgung kann in Zukunft nur über innovative Kooperationsformen gewährleistet werden. Zum dritten Messekongress „Gesundheit und Versorgung – Innovative Formen der Zusammenarbeit“, veranstaltet durch die Gesundheitsforen Leipzig, kamen am 16. und 17. April im Congress Center Leipzig 140 Wissenschaftler, Entscheider und Dienstleister aus dem Gesundheitswesen zusammen.

(firmenpresse) - Neben dem Status quo der Versorgungssituation wurden bei der zweitägigen Veranstaltung bestehende Defizite umrissen. Der Messekongress verfolgte das Ziel, über die Zukunft einer stärker an den individuellen Bedürfnissen des Patienten orientierten Versorgung zu diskutieren und innovative Lösungsmodelle aufzuzeigen.

Prof. Klaus Jacobs, Geschäftsführer des wissenschaftlichen Instituts der AOK, setzte sich in seinem Eröffnungsvortrag mit gesundheitspolitischen Veränderungen der letzten Legislaturperiode auseinander. Zudem gab er einen Ausblick auf reformbedürftige Handlungsfelder.


Die Pflege in Gegenwart und Zukunft

Die Knappschaft-Bahn-See sieht sich bereits heute einem Handlungsdruck ausgesetzt, der auf die meisten anderen Krankenkassen erst in Zukunft zukommt. Grund dafür ist die Versichertenstruktur, die einen überdurchschnittlich hohen Altersdurchschnitt aufweist. Laut Referent Andreas Wöhler besteht „das Basisproblem in der Kommunikation zwischen Pflegeheim und Arzt“. Das Konzept der integrierten Versorgung bei der KBS setzt deshalb im Bereich der stationären Pflege mit Care-Teams direkt vor Ort an. Trotz des hohen Kommunikations- und Ressourcenaufwandes sei dieser neue Ansatz auch längerfristig erfolgversprechend.

Mit einer Zukunftsreise zur Pflege im Jahr 2053 schaute Dr. Bernd Wiemann „über den Tellerrand der Branche hinaus“. Mit einem Zeitsprung könne die Zukunft der Pflege unabhängig von der Gegenwart, d.h. ohne die gewohnten Planungsinstrumente beurteilt werden. Die Diskrepanzen zwischen den entworfenen Zukunftsszenarien und dem Heute führen zu der Frage, was in der Pflege fundamental verändert werden müsse. Über einen direkten, transdisziplinären Austausch werden nicht nur spezifische Orientierungsimpulse gegeben, sondern auch untermauert, dass es sich um ein gesamtgesellschaftliches Anliegen handelt.


Telemedizin – Ein Goldstück, das sich nicht vermehren lässt?





Die Telemedizin hat eine glänzende Zukunft – aber wird ihr Potential bisher ausreichend ausgeschöpft? Bereits am ersten Kongresstag stellte Georg Aumayr von der Johanniter-Unfall-Hilfe in Österreich vielfältige Möglichkeiten der praktischen Nutzung von Medizintechnik im Bereich der Pflege vor, u.a. am Beispiel von Ambient Assisted Living.

Rainer Beckers, Geschäftsführer des Zentrums für Telematik und Telemedizin, sieht in der klinischen Telemedizin ein wichtiges Anwendungsfeld. Insbesondere mit dem Monitoring gewonnene Patientendaten können in einem erfahrenen telemedizinischen Zentrum gebündelt und von einem Team überwacht werden. Für einen solchen Telemedizinverbund spräche die Steigerung der Versorgungsqualität, das Absinken der Hospitalisierungsrate und der Krankenhaustage. Die ebenfalls diskutierten Herausforderungen dieser neuen Kooperationsform bestünden u. a. in der Ressourcenverteilung sowie dem Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur und Services.

„Telemedizin ist ein Goldstück, das sich nicht vermehren lässt“ – so lautete das Fazit von Dr. med. Körtke, Leiter des Institutes für angewandte Telemedizin der Universität Bochum. Ziel solle es sein, ihre Anwendbarkeit im Alltag zu verbessern. Auf Basis einer seit 15 Jahren laufenden Studie stellt er einen telemedizinisch basierten Thromboseservice vor. Nach dem Einsetzen einer mechanischen Herzklappe könne die medikamentöse Blutgerinnungstherapie mittels Gerinnungsmonitor vom Patienten selbst durchgeführt werden. Als Vorteile ergeben sich nicht nur finanzielle Einsparungen, auch das Selbstmanagement des Patienten sowie die Beziehung zwischen Hausarzt und Patient würde gestärkt. Wie sein Vorredner unterstrich er, dass ein Strukturwandel in der Versorgung von Nöten sei, um den Anwendungsrahmen der Telemedizin zu verbessern – insbesondere im kooperativen Bereich.

Dass sich auch die Pharmaindustrie als innovativer Gesundheitsanbieter im Bereich Telemedizin etabliert, stellte Dr. Hardy Kietzmann, Director Innovations bei Sanofi-Aventis, anhand breiter Lösungsansätze, wie bspw. Health Apps, heraus.


Routinedaten – Kein Datensatz für jedermann?

Routinedaten bringen zahlreiche Vorteile mit sich: sie sind klar definiert, ohne weiteren Erhebungsaufwand verfügbar und spiegeln die Versorgung wider – vorausgesetzt, sie können ausgeschöpft werden. Dr. Maria Trottmann, Beraterin bei Polynomics, betonte den hohen Wert von Routinedaten in der gesundheitsökonomischen Forschung. Dabei stünde nicht bloß die Durchführung von Tests und Kostenanalysen im Vordergrund: Die Diskussion der Testresultate kann einen wesentlichen Informationsbeitrag leisten, der nicht zuletzt gesundheitspolitische Entscheidungsprozesse beeinflusst.

Wie seine Vorrednerin, sprach sich auch Prof. Jürgen Stausberg – Arzt für medizinische Informatik und Ärztliches Qualitätsmanagement – für einen erleichterten und fairen Zugang zu anonymisierten Routinedaten aus. Vor allem für die Leistungserbringer gestalte sich dieser schwierig. Zudem könne die Versorgungsforschung wertvolle Qualitätskennzahlen gewinnen, u.a. hinsichtlich der Über-, Unter- oder Fehlversorgung am Beispiel der Koronarographie.


Patientenselektion und -steuerung – Auf der Suche nach individuellen Lösungsansätzen

„Es kann nicht nur um Wirtschaftlichkeit gehen“, unterstrich Dr. med. Thorsten Heberlein, Berater des Vorstandes der Deutschen BKK. Der Fokus liege auf der Kundenbetreuung. Dies gelte insbesondere im Individualfallmanagement versorgungsintensiver Patienten. Doch wie können die Versicherten gesteuert werden bzw. welche Faktoren sind überhaupt auf Seite des Versicherers steuerbar? – Fragen, denen auch Dr. Gapp, Leiter des Vetrags- und Versorgungsmanagements bei der mhplus Betriebskrankenkasse, am ersten Tag des Messekongresses nachging. Er stellte das mhplus Morbiditätscluster, welches eine gezielte Versichertenauswahl ermöglicht, am Beispiel psychischer Erkrankungen vor. Neben dem Wirtschaftlichkeitsscore und den Risikofaktoren, erarbeite man einen Steuerbarkeitsscore für das Versorgungsmanagement. Der zukünftige Erfolg hinge schließlich davon ab, inwieweit eine Auswahl der „richtigen“ Versicherten getroffen werde. Nur so könne eine individuelle und krankheitsspezifische Intervention erfolgen.

Neben den Krankenkassen setzen auch KFZ-Haftpflichtversicherungen auf individuelle Ansätze, die durch eine aktive Förderung der Rehabilitation und die Optimierung des Heilverlaufs gekennzeichnet sind. Experten aus dem medizinischen Bereich und Mitarbeiter vor Ort erstellen auf Basis der Selektion relevanter Fälle Risikoprofile. Für Dr. Jörg Grüber, Consultant bei der Versicherungsforen medi-part GmbH, ist die Kostensenkung ausschlaggebend. Das Ziel seien marktgerechte Preise in der Heil- und Hilfsmittelversorgung, wobei man zudem auf lokale, unabhängige Dienstleister setze.

Dr. med. Elisabeth Siegmund-Schultze stellte das Konzept der KKH zur individuellen Versorgung psychisch Kranker vor. Speziell für Arbeitnehmer mit Rehabilitationsbedarf im psychischen Bereich sei eine Anbindung an die Versorgung äußerst ineffizient. In dieser Betroffenengruppe werde eine steigende Anzahl von Krankheitstagen verzeichnet. Um Einsparungen zu erreichen, sei eine Zusammenarbeit mit Rentenversicherungsträgern notwendig. Vor diesem Hintergrund berichtete die Referentin u.a. von dem Pilotprojekt NetzWerkPlus, welches derzeit in Berlin und Dresden umgesetzt wird. Ziel dabei ist es, die Arbeitnehmer durch individuell zugeschnittene Angebote zeitnah wieder ins Arbeitsleben einzugliedern. Wichtig sei „Psychotherapie nur dort anzuwenden, wo sie auch wirklich gebraucht wird“. Insgesamt werde damit ein vertrauensvolles Verhältnis zur Krankenkasse gefördert.


Betriebliches Gesundheitsmanagement – Wie kann die Zielgruppe erreicht werden?

Im Fokus der Vortragenden stand die Frage, wie auch diejenigen erreicht werden, die für das Thema BGM bisher nicht oder kaum sensibilisiert wurden. Als Best-Practice-Beispiel für Großunternehmen stellte Dr. Georg von Groeling-Müller das BGM-Konzept der ThyssenKrupp Steel Europe AG vor. Er betonte, dass vor dem Generieren neuer Daten bei der Kennzahlenanalyse im Unternehmen bereits vorhandene Routinedaten (wie Altersstruktur, Schwerbehindertenquote, Zahl der Arbeitsunfälle etc.) genutzt werden können. Am Beispiel der „Gesundheitsschicht“ beschrieb er zudem, inwieweit die Erreichbarkeit einer Gruppe einfacher sei, als die des Einzelnen.

Bei der ThyssenKrupp Steel AG konnte BGM bereits zu 100 Prozent eingeführt werden. Deutschlandweit liege die Implementierung von BGM in den Betrieben laut Christian Koch von der Leuphana Universität Lüneburg, bei maximal 40 Prozent. Gemeinsam mit Dr. Frauke Wildvang stellte er BGM-Projekte vor, die sowohl Kostenmanagement, als auch Employer Branding einschließen.

Insbesondere in kleinen und mittelständischen Unternehmen scheinen noch immer Vorbehalte gegenüber BGM zu bestehen. Doch sei laut Dr. Hans-Peter Unger, Chefarzt für seelische Gesundheit an der Asklepios Klinik Harburg, nicht die Finanzierbarkeit das eigentliche Problem, sondern vielmehr die bestehenden Wissensdefizite dafür verantwortlich. Er sprach sich dafür aus, regionale und sektorenübergreifende Konzepte auch im Klinikalltag zusammenzuführen und das Selbstverständnis eines „ganzheitlichen Dienstleisters“ zu fördern.

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Datum: 24.04.2013 - 16:40 Uhr
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