(ots) - Die Bedeutung von unkonventionellem Gas, allem
voran Schiefergas, nimmt auch in Europa rasant zu. Bis zum Jahr 2035
könnte Schiefergas einen Anteil von rund 45 Prozent an der
europäischen Gasförderung haben beziehungsweise einen Anteil von 10
Prozent an der Gesamtnachfrage aufweisen. Das geht aus einer
aktuellen Studie der Unternehmensberatung A.T. Kearney hervor, in der
verschiedene Szenarien für die Förderung von Schiefergas in Europa
entwickelt wurden. In der Studie wurden außerdem Rahmenbedingungen
und wirtschaftliche Auswirkungen untersucht. Die größten
Schiefergasproduzenten werden voraussichtlich Polen und die Ukraine
sein. Deutschland und Frankreich werden von einer geringeren
Importabhängigkeit, verbesserten Handelsbilanzen, erhöhter
Wertschöpfung und zusätzlichen Arbeitsplätze profitieren. Außerdem
wird erwartet, dass der Gaspreis um bis zu sechs Prozent sinken wird.
Wenn es gelingt, die regulatorischen, (umwelt-)technischen und
wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu optimieren, sind sogar noch
größere Fördermengen möglich.
"Schiefergas ist kein neues Thema, weist aber aktuell eine
dramatisch hohe Bedeutung und Relevanz auf", sagt Kurt Oswald,
Partner im Bereich Energiewirtschaft bei A.T. Kearney und Leiter der
Studie. Diese zeigt, dass der Anteil von Schiefergas an der gesamten
weltweiten Gasproduktion jährlich um rund acht Prozent wachsen wird.
Damit wird er von weniger als drei Prozent im Jahr 2009 auf 13
Prozent im Jahr 2035 ansteigen. "Treiber für dieses Wachstum sind vor
allem Nordamerika und der asiatisch-pazifische Raum", erklärt Jörg
Mayrgündter, Projektleiter bei A.T. Kearney und Co-Autor der Studie
und ergänzt: "Mit einem Anteil von rund 48 Prozent wird Schiefergas
bis 2035 innerhalb der USA die Gas-Angebotsstruktur deutlich
dominieren. Bis zum Jahr 2021 werden sich die USA zu einem
Gas-Nettoexporteur entwickelt haben. China hat mit 36.100 Milliarden
Kubikmetern die weltweit größten technisch förderbaren Ressourcen an
Schiefergas und plant bereits 2020 einen Anteil von rund 10 Prozent
an der Gesamtfördermenge zu erreichen."
Europa: Vielversprechende Ressourcen, schwierige Rahmenbedingungen
Die ressourcenseitigen Voraussetzungen für Schiefergas sind auch
in Europa vielversprechend. "Europa verfügt über rund sieben Prozent
der weltweit abbaubaren Schiefergasvorkommen", erläutert Oswald. Das
entspricht 13.600 Milliarden Kubikmetern.
Allerdings ist die Haltung der Politik heterogen: So hat im Juli
2011 das französische Parlament Fracking verboten. Das Verbot in
Bulgarien folgte im Februar 2012. In Deutschland wurde in
Nordrhein-Westfalen 2011 von der Landesregierung ein offizielles
Moratorium verhängt - das Gleiche gilt für die Niederlande. Polen
hingegen treibt die Schiefergasentwicklung vor dem Hintergrund einer
höheren Energieunabhängigkeit intensiv voran.
Auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind nicht optimal:
Wesentlicher Kostentreiber in Europa sind die hohen Bohrkosten, mit
denen aufgrund der erforderlichen Tiefe der Bohrungen zu rechnen ist.
Während die Kosten in den USA zwischen sieben und 17 Euro pro
Megawattstunde (MWh) liegen, wird in Deutschland mit Spannen zwischen
11 und 44 Euro pro MWh gerechnet, wobei der niedrigere Grenzwert erst
langfristig erreicht werden kann.
Im Vergleich dazu lagen die durchschnittlichen Börsenpreise von
Gas 2011 bei 22,7 Euro pro MWh und 2012 bei 24,3 Euro pro MWh. "Die
Schiefergasförderung ist in Europa zurzeit noch nicht
wirtschaftlich", sagt Oswald und ergänzt: "Das Geschäft mit dem
Schiefergas ist ein langfristiges, kapitalintensives und dadurch auch
risikoreiches Projekt."
Anteil an der europäischen Gasförderung von bis zu 45 Prozent im
Jahr 2035 erwartet
Während es in den USA in den letzten Jahren eine regelrechte
"Schiefergasrevolution" gegeben hat, geht A.T. Kearney in Europa von
einer "Schiefergas-Evolution" aus:
So zeigt das A.T. Kearney-Shale-Gas-Modell, dass die
grundsätzlichen Rahmenbedingungen, die Förderung von Schiefergas in
den meisten Ländern erst ab etwa 2017/18 ökonomisch sinnvoll machen.
Das gilt insbesondere im Verhältnis zum dann vorherrschenden
Gas-Marktpreis. Trotzdem geht Oswald davon aus, "dass das
Schiefergasvolumen in Europa im Jahr 2035 bis zu 58 Milliarden
Kubikmeter betragen kann. Dies bedeutet 45 Prozent der
prognostizierten Gesamt-Gasproduktion Europas ohne das klassische
Produzentenland Norwegen und 10 Prozent der Gesamt-Gasnachfrage.
Dabei wird die Produktion aufgrund länderspezifischer Voraussetzungen
wie Geologie und politischer Wille in Polen und der Ukraine am
größten sein."
Sollte sich die Politik in Europa dazu entscheiden, einen
einheitlichen regulatorischen Rahmen zu schaffen, in Forschung für
"Green Fracking" zu investieren und finanzielle Anreize für
Landeigner und Produzenten zu schaffen, könnte Schiefergas sogar noch
deutlicher an Bedeutung in Europa gewinnen. Oswald: "Wenn auf
politischer Ebene der Wille da ist, Schiefergas in Europa zu
entwickeln, dann zeigen unsere Berechnungen ein Potenzial von knapp
100 Milliarden Kubikmetern Schiefergasförderung im Jahr 2035.
Schiefergas hätte dann einen Anteil von rund 58 Prozent an der
europäischen Gasförderung ohne Norwegen oder 16 Prozent am
Gasverbrauch."
"Für Polen ist Schiefergas somit tatsächlich ein "Game Changer",
da es dadurch seine starke Importabhängigkeit signifikant reduzieren
und im günstigsten Fall sogar zum Exporteur werden kann", ergänzt
Mayrgündter.
Auch anderen europäischen Ländern wie Deutschland und Frankreich
wird es helfen, die Importabhängigkeit zu reduzieren oder
Einkommensverluste (Großbritannien und Niederlande) zu kompensieren
die durch schwindende konventionelle Ressourcen entstehen. Für
Deutschland steigen die daraus resultierenden jährlichen Einsparungen
wertgesichert auf bis zu 1,4 Milliarden Euro im Jahr 2035 an.
Europaweit kann mit jährlichen Einsparungen durch verbesserte
Handelsbilanzen in der Höhe von bis zu 19,5 Milliarden Euro gerechnet
werden. Außerdem können bis zu 255.000 Arbeitsplätze geschaffen und
insgesamt 12,5 Milliarden Euro (pro Jahr im Jahr 2035) an
Wertschöpfung generiert werden. Etwaige Auswirkungen von Schiefergas
auf das Gaspreisniveau wurden nicht berücksichtigt.
In Abhängigkeit von der Entwicklung der Struktur der Gasversorgung
Europas und der Nachfrageentwicklung sind allerdings auch
Auswirkungen auf das Gaspreisniveau zu erwarten. Oswald: "Wir
erwarten eine relative Reduktion der Gashandelspreise von 0,6 bis 2
Euro pro MWh an den liquiden Gashandelsmärkten oder von 2 bis 6
Prozent des für 2035 erwarteten Gaspreisniveaus auf realer Basis".
Etablierte Gasversorger: neue Rahmenbedingungen in strategische
Planung aufnehmen
Für die etablierten Gasversorger ist die Schiefergasentwicklung
unterschiedlich relevant. Laut Oswald "müssen sich vor allem
Versorger mit einem starken konventionellen Upstream-Bereich auf die
veränderten Rahmenbedingungen durch versiegende Ressourcen einstellen
- hier kann Schiefergas eine Alternative zu neuen Langfristverträgen
darstellen." Auch Midstream- und Downstream-Player müssen sorgfältig
evaluieren, ob ein Einstieg in die Schiefergasexploration eine
sinnvolle Erweiterung ihrer angestammten Geschäftstätigkeit
darstellt. "Hier ist rechtzeitiges Handeln zwingend, denn die
Erfahrung in den USA hat gezeigt, dass ein großvolumiger Einstieg
nach einem bereits eingesetzten Boom ungleich schwieriger ist. "Die
großen US-amerikanischen Öl- und Gaskonzerne haben es trotz teurer
Akquisitionen bis heute nur teilweise geschafft, ihren Rückstand
wettzumachen", warnt Oswald abschließend.
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