(ots) - Reporter ohne Grenzen verurteilt die verschärften
Zensur- und Überwachungsmaßnahmen Irans vor der Präsidentenwahl am
14. Juni. Im Vorfeld der Abstimmung haben Geheimdienst und
Revolutionswächter zahlreiche Journalisten vorgeladen und
aufgefordert, nur regimetreue Kandidaten zu unterstützen. Die ohnehin
weitgehende Internetüberwachung wurde noch einmal verschärft, so dass
der Zugang zu ungefilterten Informationen kaum noch möglich ist.
Reihenweise wurden Webseiten geschlossen, die andere als die vom
Wächterrat zugelassenen Bewerber um das Präsidentenamt unterstützen.
"Freie und demokratische Wahlen sind unter den derzeitigen
Einschränkungen im Iran undenkbar", kritisierte ROG-Geschäftsführer
Christian Mihr. Offenbar wolle das Regime mit allen Mitteln
verhindern, dass unabhängige Informationen eine Protestbewegung wie
2009 befeuern könnten. "Wenn die iranische Führung ein legitimes
Wahlergebnis bekommen will, muss sie umgehend die Medien- und
Internetzensur beenden und alle inhaftierten Journalisten
freilassen."
In den acht Jahren der Präsidentschaft Mahmud Ahmadinedschads sind
mehr als 200 Zeitungen geschlossen worden. Mehr als 300 Journalisten
und Online-Akivisten wurden willkürlich festgenommen, gefoltert oder
zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. (http://bit.ly/12LZfvw)
Auslandssender wie die Deutsche Welle, BBC und Voice of America und
ihre iranischen Mitarbeiter werden als bezahlte Kollaborateure
westlicher Geheimdienste diffamiert. Selbst die Familien iranischer
Journalisten, die im Ausland arbeiten, sind Repressalien ausgesetzt.
Derzeit sitzen 54 Journalisten, Blogger und Netzaktivisten wegen
ihrer Arbeit in iranischen Gefängnissen. Die meisten davon wurden in
der Folge der Proteste gegen das umstrittene Ergebnis der
Präsidentenwahl 2009 inhaftiert. Viele wurden im Gefängnis
misshandelt und leiden unter schlechten Haftbedingungen, einige
wurden zu öffentlichen "Geständnissen" ihrer vermeintlichen
Verfehlungen gezwungen. (http://bit.ly/Anv6o2)
In einem offenen Brief (http://bit.ly/12LZfvw) hat Reporter ohne
Grenzen die acht zur Präsidentenwahl zugelassenen Kandidaten
aufgefordert, sich zur Freilassung aller im Iran inhaftierten
Journalisten und Blogger zu verpflichten. Außerdem sollten sie
grundlegende Reformen der Mediengesetze wie die Entkriminalisierung
presserechtlicher Vergehen und ein Ende der Lizenzpflicht für
Online-Publikationen zusagen. Die Bürger Irans müssen freien und
unzensierten Zugang zum Internet bekommen; das Vorhaben eines
vollständig überwachten "nationalen Internets"
(http://surveillance.rsf.org/en/iran/) ist damit unvereinbar. Morde
an Journalisten und Bloggern wie Sattar Beheschti
(http://bit.ly/TAG0Q5) müssen geahndet werden und dürfen nicht länger
straffrei bleiben.
Die jüngste Repressionswelle begann am 4 Mai, als der Iran kurz
vor der Registrierung der Präsidentschaftskandidaten die Nutzung
wichtiger Programme zur geschützten Internetkommunikation sperrte.
(http://bit.ly/YsbgFq) Seitdem ist der Netzzugang immer öfter
unterbrochen. Wichtige Internetdienste wie Google und Yahoo wurden
blockiert.
Zumindest zeitweise esperrt wurden auch Webseiten wie Aftabnews
und Ayandenews, die den nicht zur Wahl zugelassenen Ex-Präsidenten
Akbar Haschemi Rafsandschani unterstützen. Gleiches gilt für
konservative Webseiten wie Meyarnews, Roshanaee, Baharana und Bahaar
Online, die den scheidenden Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad und
dessen favorisierten, aber ebenfalls nicht zugelassenen Kandidaten
Esfandiar Rahim Maschaei unterstützen. (http://bit.ly/ZjTJk6) Allein
zwischen dem 17. und dem 27. Mai wurden neun Tageszeitungen - Bahar,
Tabnak, Hezbollah, Kayhan, Vatan Emrooz, Sharvand, Iran, Haft Sobeh
and Mardomsalari - von der Zensurstelle des Kulturministeriums
verwarnt und stehen damit nach iranischem Gesetz einen Schritt vor
der Suspendierung. (http://bit.ly/ZRf8CQ)
Schon seit dem sogenannten Schwarzen Sonntag am 27. Januar
(http://bit.ly/Vh0zTq) hatte das Regime mit einer Verhaftungswelle
gegen Journalisten und der Schließung mehrerer Zeitungen eine
Drohkulisse gegen jede kritische oder unabhängige Berichterstattung
über den Wahlkampf oder die Abstimmung selbst aufgebaut.
Geheimdienstminister Heydar Moslehi sprach offen von einer Offensive
gegen ein angebliches Netzwerk 600 regimefeindlicher Journalisten im
In- und Ausland. (http://bit.ly/12w0lP3) Zuletzt wurden selbst
Journalisten, die zuvor etwa aufgrund ihres Gesundheitszustands aus
der Haft entlassen worden waren, ins Gefängnis zurückbeordert.
Auf der ROG-Rangliste der Pressefreiheit steht der Iran auf Platz
174 von 179 Ländern - schlechter ist die Situation nur in Somalia,
Syrien, Turkmenistan, Nordkorea und Eritrea. Detaillierte
Informationen über die Lage der Pressefreiheit im Iran finden Sie auf
Englisch unter http://en.rsf.org/iran.html und auf Persisch unter
http://www.rsf-persan.org/.
Pressekontakt:
Reporter ohne Grenzen
Ulrike Gruska / Christoph Dreyer
T: +49 (0)30 60 98 95 33-55
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