(ots) - Pressegespräch zum Weltflüchtlingstag:
Die Flucht ist nur der Anfang - Journalisten im Exil berichten
am Dienstag, 18. Juni 2013, von 11.00 bis 12.00 Uhr bei Reporter
ohne Grenzen, Brückenstr. 4, 10179 Berlin
Für Journalisten aus Kriegsländern und Diktaturen ist die Flucht
manchmal der letzte Ausweg. Doch im Ausland stehen sie vor neuen
Problemen: Oft sind es die Nachbarländer, die die Geflohenen
aufnehmen. Aber dort sind diese häufig nicht vor der Verfolgung durch
die Behörden ihrer Heimat sicher. Deshalb wenden sich zum Beispiel
iranische Journalisten in der Türkei an Reporter ohne Grenzen (ROG),
um in Deutschland aufgenommen zu werden.
Journalisten auf der Flucht können in der Regel ebenso wenig wie
andere Flüchtlinge von einem geordneten Aufnahmeverfahren
profitieren. Sie müssen auf eigene Faust ihren Weg in die EU oder
nach Deutschland suchen, um Asyl zu beantragen. Hier angekommen
erwartet sie zumeist ein langwieriges Aufnahmeverfahren.
Währenddessen leben sie isoliert in Asylbewerberheimen, dürfen in der
Regel nicht ohne Erlaubnis das jeweilige Bundesland verlassen und
können deshalb nur eingeschränkt ihre Arbeit fortsetzen.
ROG hilft Journalisten, in Deutschland unbürokratisch Schutz zu
finden. Im Asylverfahren hat das ROG-Referat für Nothilfe und
Flüchtlingsarbeit schon oft dazu beigetragen, dass sie als politische
Flüchtlinge anerkannt werden. Mit Workshops, Newslettern und einem
geplanten Mentorenprogramm unterstützt ROG die in der Arbeitsgruppe
"Journalisten im Exil" zusammengeschlossenen Kollegen bei der
beruflichen Wiedereingliederung und hilft ihnen, ihre Anliegen
öffentlich zur Sprache zu bringen.
ROG hat seit Beginn dieses Jahres bis zum 31. Mai insgesamt 31
Anfragen von Journalisten und Bloggern in Notsituationen erhalten.
Sie beinhalteten Anwalts- oder Arztkosten, Unterstützung für
Angehörige, Flüchtlings- oder Integrationshilfen. Sechs Anfragen
kamen von Journalisten aus dem Iran. Das ROG-Nothilfereferat ist
desweiteren mit asylsuchenden Medienschaffenden aus Afghanistan,
Bahrain und Syrien im Kontakt.
Zwei Tage vor dem Weltflüchtlingstag berichten drei in Deutschland
im Exil lebende Journalisten aus Afghanistan, Bahrain und Iran in
einem PRESSEGESPRÄCH über ihre Erfahrungen während und nach der
Flucht aus ihren Heimatländern.
GESPRÄCHSPARTNER:
NASTARAN NAWRAS, Journalistin aus Afghanistan: Die heute
29-jährige afghanische Journalistin Nastaran Nawras arbeitete als
Journalistin in Mazar-e-Sharif im nördlichen Teil des Landes für den
Radio- und Fernsehsender Arezu. Als sie über die Zahl der Opfer
islamistischer Anschläge unter der Zivilbevölkerung recherchierte,
wurde sie massiv bedroht und musste im September 2012 Afghanistan
verlassen. In Deutschland stellte sie einen Asylantrag und wartet
seitdem auf eine Entscheidung in ihrem Verfahren. Sie lebt in einem
Wohnheim für Flüchtlinge in Brandenburg. "Ich bin seit neun Monaten
hier. Obwohl ich weit weg von meinem Land und meiner Familie lebe,
sehe ich meine sichere Zukunft in Deutschland. Dieses Land ist
inzwischen meine zweite Heimat geworden. Ich lerne Deutsch und hoffe,
dass ich irgendwann meinen Beruf fortführen kann. Ich liebe meinen
Beruf und es ist für mich nicht wichtig, ob ich den Menschen in
diesem Land diene oder in Afghanistan. Ich hoffe auf eine baldige
Bewilligung meines Asylantrags, damit diese unsichere Zeit für mich
zu Ende ist."
YUSUF OMRAN ABDULLAH, Blogger aus Bahrain: Der heute 31-jährige
Online-Aktivist berichtete während des Arabischen Frühlings
regelmäßig per Twitter und Facebook über die politischen
Protestbewegungen in Bahrain und der gesamten Golfregion. Dank seiner
Informationen konnten Fernsehsender über diese Proteste berichten.
Ãœber soziale Netzwerke erhielt Abdullah ernstzunehmende Drohungen von
Seiten regimetreuer religiöser Kräfte in Bahrain. Deshalb musste er
fliehen und stellte im November 2012 einen Asylantrag in Deutschland.
Er lebt in einer Flüchtlingsunterkunft in der Nähe von Pirmasens
(Rheinland-Pfalz).
"Die deutschen Behörden haben mich in einem abgelegenen Dorf
untergebracht. Ich fühle mich isoliert und leide darunter, dass ich
nicht bloggen und produktiv sein kann. Mein Asylantrag kommt seit
Monaten nicht voran. Im Asylbewerberheim gibt es keine Privatsphäre,
man kann dort nicht einmal seine Schlafenszeiten selbst bestimmen.
Manchmal machen Krankheiten die Runde und auch die verschiedenen
Kulturen bereiten mir Probleme."
EHSAN MEHRABI, Journalist aus dem Iran:
Der heute 38-jährige Iraner arbeitete im Iran 15 Jahre lang als
Parlamentskorrespondent, unter anderem für die Tageszeitung Etemade
Melli. Er berichtete über die Proteste gegen das Ergebnis der
umstrittenen Präsidentenwahl im Juni 2009 und gab dazu auch der
persischen Redaktion der BBC Interviews. Im Februar 2010 wurde er
verhaftet und wegen seiner Zusammenarbeit mit ausländischen Medien zu
einer einjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Im Mai 2010 kam Mehrabi
auf Kaution frei, wurde aber im Januar 2011 erneut inhaftiert. Nach
seiner Haftentlassung im Oktober 2011 entschloss er sich, in die
Türkei zu fliehen. Dort musste mit seiner Ehefrau nahe der syrischen
Grenze unter schwierigen Bedingungen auf den Abschluss seines
Asylverfahrens beim UN-Flüchtlingshilfswerk UNCHR warten. Nachdem ihm
die Bundesregierung aus humanitären Gründen die Aufnahme gewährte,
lebt das Ehepaar seit Februar 2013 in Berlin.
"Nach der Ablehnung unseres Asylantrags in der Türkei konnten wir
dort nur in der Grenzstadt Mardin leben. Diese Zwangsumsiedlung hat
uns sehr viel Kraft und Nerven gekostet. Trotz aller Schwierigkeiten,
die ich im Iran in meinem Beruf erlebt habe, möchte ich weiterhin als
Journalist arbeiten. Noch schreibe ich auf Persisch und ich habe
einen weiten Weg vor mir, um die deutsche Sprache zu beherrschen.
Aber ich will und werde diesen Weg gehen."
Das Gespräch findet teils auf Englisch, teils auf Persisch mit
deutscher Ãœbersetzung statt. Bitte melden Sie sich unter
rog(at)reporter-ohne-grenzen.de an.
Den jüngsten Newsletter der ROG-Arbeitsgruppe "Journalisten im
Exil" finden Sie unter http://bit.ly/11rcyDE. Informationen und
Hilfestellungen für Journalisten im Exil bieten die "Guidelines for
exiled journalists" (http://bit.ly/125XXO6).
Pressekontakt:
Reporter ohne Grenzen
Ulrike Gruska / Christoph Dreyer
presse(at)reporter-ohne-grenzen.de
www.reporter-ohne-grenzen.de
T: +49 (0)30 60 98 95 33-55