(ots) - Spektakuläre Bürgerrevolten in der Türkei, dumpfe
Friedhofsruhe im Iran zu den Präsidentenwahlen, eskalierender
Kulturkampf in Ägypten - so unterschiedlich die Konflikte in den drei
größten Nationen des Nahen Ostens erscheinen, so gemeinsam sind ihre
Wurzeln. In der Türkei wollen sich die Menschen das autoritär
Bevormundende ihrer frommen Herrscher nicht länger gefallen lassen.
Irans politische Klerikerkaste kann eine junge, frustrierte
Bevölkerung nur noch mit einem Polizeistaat in Schach halten. Und
Ägypten teilt seit dem islamistischen Verfassungscoup ein tiefer
Graben zwischen säkularen und frommen Einwohnern. Alle drei Staaten
werden unter dem Banner des Islam regiert. Doch wie staatsfähig und
demokratietüchtig ist der politische Islam? Wie tolerant und plural
kann eine islamische Führung agieren, die sich in Politik, Kultur und
Privatleben Allahs Wahrheiten verpflichtet fühlt? Bisher jedenfalls
ist die Bilanz trübe. Nirgendwo hat der politische Islam bisher
belegt, dass er für offene Gesellschaften und stabile demokratische
Verhältnisse sorgen kann. Die Grenzen zwischen Staatsverantwortung
und religiöser Agenda sind fließend. Die Bürger erleben das als
permanente Invasion in ihr öffentliches Dasein und persönliches
Leben. Erschwerend kommt hinzu, dass Machtbesitz in der politischen
Kultur des Orients als Nullsummenspiel begriffen wird. Wer am Hebel
sitzt, drückt den anderen so hart es geht an die Wand. Kompromisse
existieren in diesem Denken nicht. Für die westlichen Staaten wird
das Klima im Umgang mit diesen Staaten zweifellos unangenehmer,
wollen sie weiterhin an der Seite säkularer Bevölkerungsteile dem
wachsenden islamistischen Hegemoniestreben entgegentreten. Immer
aggressiver verteufeln deren Protagonisten Grundwerte wie Pluralität,
universale Rechte und tolerantes Kulturverständnis als westlichen
Unrat. Eigene Mitbürger, die diese Werte hochhalten, sehen sich ins
Gefängnis geworfen, vor Gerichte gezerrt oder als Spione denunziert.
Dieses Sperrfeuer jedoch darf nicht irritieren. Egal ob Türkei, Iran
oder Ägypten - der Kampf um das künftige Antlitz der Gesellschaften
ist keineswegs entschieden.
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