(ots) - Zu Gast bei Revolutionären?
Oft sind es kleine Dinge, die Unruhen oder Umstürze auslösen. Im
Vorfeld der Französischen Revolution war es der Mehlkrieg. An
Brotpreisen entzündete sich der Arabische Frühling. Nun erlebt
Brasilien Massenproteste, weil sich Bustickets verteuern - um
umgerechnet acht Cent.
Der Oberschicht in Rio de Janeiro oder São Paulo ist das egal. Sie
fährt nicht Bus. Sie wird in Limousinen chauffiert oder fliegt im
Helikopter. In der Luft können Brasiliens Reiche Staus, Elend und
Kriminalität am besten auf Distanz halten.
Sicher: Brasilien ist ein pulsierendes Schwellenland mit einer
wachsenden Mittelschicht. Doch die Kluft zwischen Arm und Reich ist
weiterhin extrem - allen Verheißungen der regierenden Arbeiterpartei
zum Trotz. Hinzu kommt die Wut über Korruption und Vetternwirtschaft,
die unter dem linken Ex-Präsidenten Lula da Silva aufblühte.
Die Erhöhung der Ticketpreise ist der berüchtigte Funke, der das
Pulverfass explodieren lässt. Die Proteste richten sich aber nicht
gegen die Fußball-WM und die Olympischen Spiele. Es wäre falsch, das
Gelingen der Mega-Events infrage zu stellen. Kein Sportfan der Welt
muss Angst haben, zu Gast bei Revolutionären zu sein. Im Gegenteil:
Die Brasilianer werden tolle Spiele abliefern. Doch Präsidentin Dilma
Rousseff muss dafür sorgen, dass von den Milliarden-Investitionen
nicht nur die Eliten profitieren. Gewinne für Baulöwen und höhere
Buspreise für die Unterschicht - das ist kein Wohlstandsmodell für
alle.
Michael Clasen
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