(ots) - Frei von Vorurteilen?
Beim Tod der 22-jährigen Frau im emsländischen Dörpen passte alles
ins Bild: Eine junge Kurdin will aus der patriarchalischen Struktur
ihrer streng religiösen Familie ausbrechen, verletzt damit das
archaische Ehrgefühl des Oberhaupts und stirbt. Alles deutet
zweifellos auf einen Ehrenmord hin.
Eben nicht! Nach einem halben Jahr Verhandlung ließ das Gericht in
der Urteilsverkündung gestern die Theorie der Anklage in sich
zusammensacken. Der Richter erwähnte jedoch beiläufig, dass die
klassischen Umstände eines Ehrenmordes durchaus gegeben waren. Mehr
aber auch nicht, denn die junge Mutter starb wohl aus anderen
Gründen. Gründe, die offenbar nichts mit Nationalität oder Religion
zu tun haben.
Gingen die Ermittler zu forsch vor? Hatten sie gar Scheuklappen
vor den Augen? Bis zuletzt klammerte sich die Staatsanwaltschaft an
die Ehrenmord-Theorie. Da war im Prozess längst deutlich geworden,
dass ein Hauptbelastungszeuge wenig glaubwürdig und Abhörprotokolle
missverständlich übersetzt waren. Auf dieser Basis zwei Menschen
lebenslang hinter Gitter schicken zu wollen ist zumindest fragwürdig.
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius beklagte gestern in
einem völlig anderen Zusammenhang, in der Gesellschaft sei ein
falsches Bild des Islam verankert. Auch in Teilen der
Ermittlungsbehörden? Zumindest bleibt der Eindruck, im vorliegenden
Fall sei nicht vorurteilsfrei ermittelt worden.
Dirk Fisser
Pressekontakt:
Neue Osnabrücker Zeitung
Redaktion
Telefon: +49(0)541/310 207