(ots) - Beleidigter Sultan
Das Einbestellen der Botschafter ist ein herber Rückschlag im
deutsch-türkischen Verhältnis. Diese Eskalation hat Ministerpräsident
Recep Tayyip Erdogan zu verantworten. Damit rückt eine
EU-Mitgliedschaft seines Landes in weite Ferne.
Offensichtlich glaubt Erdogan, er könne seinen autoritären
Politikstil auf seine Europa-Politik ausdehnen. Es ist bitter, dass
seine Regierung die Teilnehmer der friedlichen Massenproteste als
Terroristen kriminalisiert hat. Anstatt das Recht auf
Meinungsfreiheit zu respektieren, ließ Erdogan die Demonstrationen
mit Polizeigewalt niederschlagen und unliebsame Journalisten
wegsperren. Nun will Erdogan auch der Kanzlerin jede Form der Kritik
an den Polizeieinsätzen untersagen. Das entspricht aber nicht
westlichen Vorstellungen von Demokratie und Meinungsfreiheit. Erdogan
führt sich in Europa auf wie ein beleidigter Sultan.
Früher stand er für wirtschaftlichen Aufschwung, für die
Rückdrängung des Militärs und für Friedensgespräche mit den Kurden.
Jetzt ramponiert Erdogan sein ohnehin schon beschädigtes Ansehen im
In- und Ausland. Richtig ist, dass es keinen türkischen Frühling
geben wird. Dafür ist der Rückhalt für Erdogan zu groß. Doch die
Sorgen der Opposition sind berechtigt, dass seine AKP die
Gesellschaft in ihre konservativen Wertvorstellungen zwängen will. Je
mehr die Türkei wie Erdogan wird, desto größer wird die Distanz zur
EU.
Michael Clasen
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