(ots) - Die Unruhe wird bleiben
Es ist nicht leicht, für die Probleme Ägyptens eine zentrale
Ursache auszumachen. Arbeitslosigkeit, Benzinmangel, Korruption:
Diese Motive für Proteste gegen Staatspräsident Mohammed Mursi sind
denen, die beispielsweise in Brasilien gerade zu Demonstrationen
geführt haben, ganz ähnlich - aus wirtschaftlicher Not entstandene
Frustration. Auch die westliche Welt ist damit vertraut.
Aber es geht in Ägypten nicht nur um die Entwicklung der
Wirtschaft. Wie viel Religion gehört zum Staat? In dieser zentralen
Frage bleibt das Land geteilt. Die jungen, säkularen Ägypter, die mit
ihrer Energie den Sturz Mubaraks vor mehr als zwei Jahren in die Wege
geleitet haben, sind enttäuscht und werden es sein, solange
Muslimbruder Mursi das Sagen hat. Gleichzeitig ist es eine Tatsache,
dass die Muslimbrüder bei den so hart erkämpften freien Wahlen die
Zustimmung vieler Ägypter erhalten haben. Liberal gegen streng
religiös: Die ägyptische Gesellschaft muss zusätzlich zu vielem
anderen diese hohe Grundanspannung aushalten. Sie wird auf absehbare
Zeit nicht zu lösen sein.
Mursi weiß inzwischen, welche Folgen das haben kann. Deshalb macht
er versöhnliche Angebote in alle Richtungen. Doch dass er damit die
Proteste beenden wird, ist unwahrscheinlich; er hat in seiner kurzen
Zeit an der Macht zu viel Vertrauen verspielt - sogar bei einem Teil
derer, die ihn vor einem Jahr noch gewählt haben. Ägyptens
Gesellschaft wird unruhig bleiben. Anne Diekhoff
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