(ots) - Auf dem Tahrir-Platz reibt sich mancher die Augen.
War man nicht vor zwei Jahren aus denselben Gründen in Kairo auf die
Straße gegangen?Waren damals nicht Hunderte getötet oder verletzt vom
Platz der Befreiung getragen worden - als Märtyrer? Deren Opfer, so
meinen jetzt viele in Ägypten, könnten umsonst gewesen sein. Es ist
Kennzeichen fast aller Revolutionen, dass beim Umsturz der alten
Mächte noch alle in der Ablehnung einig sind. Doch die Vorstellungen
von Staat und Herrschaft, Recht und Gesetz driften derzeit in den
Ländern der Arabellion weit auseinander. Mehr als 20 Millionen des 85
Millionen-Volkes sehen sich in Ägypten von einer Zwangsherrschaft in
die nächste verfrachtet. Den Militärdiktator Mubarak hat der Islamist
Mursi abgelöst. Der Unterschied: Mursi kam vor einem Jahr per
Volkswahl an die Macht. Er ist also legitimiert. Was dann geschah,
hat mit Demokratie im westlichen Sinne nichts mehr zu tun. Ein
Parlament, das gerade mal zehn Minuten getagt hat, und ein
abgesetztes Verfassungsgericht zeigen an, dass Ägypten statt drei
Gewalten nur noch eine, die Exekutive kennt. Die aber hat es in sich.
Denn erstaunlicherweise sind die Islamisten und die eine halbe
Million starke Armee eine Zweckehe eingegangen. Gut möglich, dass die
Freiheitskämpfer in diesen Stunden von denselben Militärs
zusammengeknüppelt werden wie 2011. Dem Land fehlt der Konsens, der
Wille, als Ziel einen gerechten, die wichtigsten Freiheiten
garantierenden Staat zu errichten. Wenn Präsident Mursi nicht
einlenkt und seine diktatorischen Vollmachten zurückgibt, droht am
östlichen Rand des Mittelmeeres der nächste Bürgerkrieg.
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