(ots) - Ägyptisches Chaos
Ein Jahr nach seinem Amtsantritt hat Mohammed Mursi eine
verheerende Bilanz vorzuweisen. Mit dem vollmundigen Versprechen, der
Präsident aller Ägypter sein zu wollen, war er nach seinem Wahlsieg
angetreten. Doch statt das Land wirtschaftlich auf den Weg zu bringen
und gesellschaftlich zu einen, hat der Muslimbruder für Abschwung und
Spaltung gesorgt. Nie waren die Gräben zwischen Mursis Anhängern und
Gegnern tiefer und unüberwindbarer als zum Jahrestag.
Dem Widerstand auf dem Tahrir-Platz konnte der Präsident bisher in
dem Bewusstsein entgegentreten, eine breite Unterstützung von
konservativen Ägyptern und vor allem aus der Landbevölkerung hinter
sich zu haben. Doch Mursi muss aufpassen: Es wächst der Unmut
derjenigen, die den Muslimbrüdern ihre Stimme gaben, weil sie sich
nach Stabilität und Wohlstand sehnten. Realität sind aber steigende
Lebensmittelpreise, steigende Arbeitslosenzahlen, steigende soziale
Spannungen. Von Stabilität und Wohlstand ist Ägypten Lichtjahre
entfernt.
Selbst wenn sich die Demonstranten mit ihrem Ruf nach Neuwahlen
durchsetzten, verhieße dies nicht automatisch eine Besserung. Denn
die zersplitterte Oppositionsbewegung hat es noch immer nicht
geschafft, sich zu einer überzeugenden politischen Alternative zu
formen. Auch fehlt ihr eine charismatische Leitfigur, die alle
Unzufriedenen hinter sich einen könnte. Das ägyptische Chaos wird
sich deshalb zuspitzen.
Franziska Kückmann
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