(ots) - Europas Kreditinstitute verfügen mit dem
Privatkundengeschäft trotz Krise noch über einen erstaunlich stabilen
Anker. Wie der jährliche Retail Banking Radar der Managementberatung
A.T. Kearney zeigt, sind die Erträge der Privatkundenbanken seit dem
Höhepunkt der Krise 2008 vergleichsweise stabil geblieben und für die
meisten Häuser immer noch eine verlässliche Einnahmequelle.
"Angeheizt durch die wirtschaftliche Unsicherheit nimmt die Sparrate
zu und die Kundeneinlagen wachsen, auch die Kreditvergabe ist
immerhin im Gleichschritt mit dem Bruttoinlandsprodukt gewachsen",
sagt Andreas Pratz, Partner bei A.T. Kearney und einer der Autoren
der Studie. Außer bei den Instituten in Krisenländern wie Portugal,
Spanien oder Italien sei auch die Risikovorsorge für faule Kredite
fast überall gesunken.
Banken driften auseinander
Im Jahr fünf der Krise haben allerdings die regionalen
Unterschiede weiter zugenommen. Während die Banken in den
skandinavischen Ländern sowie der Schweiz die Zeit der Unsicherheit
hinter sich gelassen haben, ist die Krise für die Institute in den
südeuropäischen Ländern längst noch nicht vorüber. Die Banken in
Westeuropa erweisen sich alles in allem als stabil, wenngleich sie
auch unter den niedrigen Zinsen leiden. In Osteuropa kämpfen die
Banken noch, schalten aber langsam wieder auf Wachstum.
Kampf gegen sinkende Profitabilität
Allerdings kämpfen die meisten Institute mit stagnierender oder
sinkender Profitabilität: So haben die meisten untersuchten
Privatkundenbanken 2012 weniger verdient als im Vorjahr. Nach
Krisenausbruch hatten die Institute zunächst zwar wieder mehr
verdient, im vergangenen Jahr geriet die Profitabilität aber erneut
unter Druck. Erzielten die Institute in früheren Jahren noch mehr als
0,7 Prozent Rendite auf ihre Aktiva, so waren es 2012 nur noch 0,6
Prozent. Der Rückgang liegt A.T. Kearney zufolge vor allem an der
höheren Risikovorsorge für ausfallgefährdete Kredite in den
Krisenländern. Im Umfeld niedriger Zinsen und verunsicherter
Konsumenten verdienten zwar auch die Privatkundeninstitute in den
stabileren europäischen Ländern weniger als vor der Krise, der
Rückgang fiel dort aber weniger dramatisch aus.
Einnahmen werden stagnieren
Die Banken müssen nun dringend gegensteuern. "Die
Privatkundeneinnahmen werden in den nächsten Jahren im besten Fall
stagnieren", sagt Bankenexperte Pratz. Die Ursachen lägen unter
anderem im schwachen Wirtschaftswachstum und dem weiterhin
eingetrübten Konsumentenvertrauen. Wer sich keine neue Küche kaufe,
frage auch keinen Konsumentenkredit nach. "Hinzu kommt, dass die
Bankkunden weiterhin nur zurückhaltend in Fonds und andere
Anlageprodukte investieren, was bei den Instituten für weiter
fallende Provisionseinnahmen sorgt", sagt Pratz.
Folge des Stellenabbaus: Einnahmen pro Mitarbeiter steigen
Dabei gibt es auch Fortschritte: So stiegen die durchschnittlichen
Einnahmen pro Mitarbeiter 2012 weiter an. Ein Bank-Mitarbeiter in
Europa erwirtschaftet inzwischen jährlich 196.496 Euro und liegt
damit über dem Vorkrisenniveau von 195.289 Euro. Allerdings liegt
dies vor allem an den jüngsten Stellenstreichungen. Die Einnahmen pro
Kunde hingegen gingen weiter zurück auf im Durchschnitt 635 Euro pro
Jahr. 2007 waren es noch 673 Euro. Auch andere Parameter, wie die
Risikovorsorge im Verhältnis zum Ertrag, Gewinn pro Kunde und
Kosten-Ertrags-Quote, verschlechterten sich.
Schweizer bezahlen am meisten für ihre Bank
Die Schweizer übrigens geben der Studie zufolge mit jährlich 1166
Euro nach wie vor am meisten für Bankdienstleistungen aus, also für
Kreditzinsen, Kontogebühren, Telefonbanking oder den
Wertpapierhandel. Schlusslicht ist wie im Vorjahr Portugal, wo die
Menschen im Durchschnitt 305 Euro pro Jahr für Retail-Banking auf den
Tisch legen.
Banken müssen mehr denn je innovativ bleiben
In diesem Umfeld sinkender Profitabilität rät A.T. Kearney zu
hoher Innovationsbereitschaft. Das Konto, die Immobilienfinanzierung
sowie die Anlage-Idee seien weiterhin die wichtigsten Produkte einer
Bank. Hier gelte es individuell auf die Kunden einzugehen, etwa durch
Konten mit besonderem Zusatznutzen oder Anlageprodukte, die gegen
Inflation schützen oder Zugang zu Asset-Klassen schaffen, die
Privatkunden bislang verwehrt sind. Nötig seien auch strukturelle
Veränderungen: "Die Filialen werden nur noch ein Vertriebs-Kanal
unter vielen sein: Es wird weniger geben, sie werden kleiner oder
auf bestimmte Kundengruppen fokussiert sein", sagt Pratz.
Für die Studie haben die Experten von A.T. Kearney in 24
europäischen Märkten insgesamt 93 Privatkundenbanken inklusive der
entsprechenden Segmente in den Konzernen untersucht. In Deutschland
wurden auch die Verbünde von Sparkassen und Genossenschaftsbanken
einbezogen. Dazu zählten erstmals auch 49 Banken aus neun Märkten in
Zentral- und Osteuropa. Damit sind ungefähr 50 Prozent des Marktes
abgedeckt. Quellen waren die Jahresabschlüsse, weitere Marktdaten
sowie A.T. Kearney's Projekterfahrung und Marktexpertise.
Ãœber A.T. Kearney
A.T. Kearney zählt zu den weltweit führenden
Unternehmensberatungen für das Top-Management und berät sowohl global
tätige Konzerne als auch führende mittelständische Unternehmen und
öffentliche Institutionen. Mit strategischer Weitsicht und operativer
Umsetzungsstärke unterstützt das Beratungsunternehmen seine Klienten
bei der Transformation ihres Geschäftes und ihrer Organisation. Im
Mittelpunkt stehen dabei die Themen Wachstum und Innovation,
Technologie und Nachhaltigkeit sowie die Optimierung der
Unternehmensperformance durch das Management von Komplexität in
globalen Produktions- und Lieferketten. A.T. Kearney wurde 1926 in
Chicago gegründet. 1964 eröffnete in Düsseldorf das erste Büro
außerhalb der USA. Heute beschäftigt A.T. Kearney rund 3.200
Mitarbeiter in 39 Ländern der Welt. Seit 2010 berät das Unternehmen
Klienten klimaneutral. Weitere Informationen finden Sie unter
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