(ots) - Seit zehn Wochen gibt es keinen Kontakt mehr zu dem
in Syrien festgenommenen deutschen Journalisten Armin Wertz. Anfang
Mai geriet er in der umkämpften Wirtschaftsmetropole Aleppo in
Polizeihaft. Eine ursprünglich geplante Verlegung in die Küstenstadt
Latakia kam in der Woche danach zunächst nicht zustande. Seitdem gibt
es keine Nachricht mehr von dem Reporter. Das Auswärtige Amt und
Reporter ohne Grenzen (ROG) bemühen sich um seine Freilassung.
"Die syrischen Behörden müssen Armin Wertz umgehend freilassen",
forderte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. "Journalisten dürfen
nicht aufgrund ihrer Arbeit festgenommen werden."
Der 1945 geborene Wertz lebt in Indonesien und schreibt unter
anderem für den Berliner Tagesspiegel sowie für verschiedene
asiatische Zeitungen. In den Achtziger- und Neunzigerjahren
berichtete er für den Spiegel aus Mittelamerika und für die
Frankfurter Rundschau aus dem Nahen Osten. Auch in Kriegs- und
Krisengebieten war er wiederholt im Einsatz. Ende April reiste er in
den Süden der Türkei, um für die Jakarta Post, die Straits Times
(Singapur) und mehrere deutschsprachige Medien über den Bürgerkrieg
in Syrien und vor allem die Lage der Flüchtlinge zu berichten. Über
das Grenzgebiet fuhr er nach Aleppo weiter. In den ersten Tagen
seiner Haft konnte er einem Kollegen mitteilen, dass die
Sicherheitskräfte ihn "weitgehend korrekt" behandelten und er die
Zelle mit einem türkischen Gefangenen teile.
Sowohl die Sicherheitskräfte des syrischen Regimes als auch einige
Rebellengruppen versuchen mit gezielter Gewalt gegen Journalisten,
die Deutungshoheit über die Ereignisse im Bürgerkrieg zu gewinnen.
Willkürliche Festnahmen oder Entführungen sind in diesem Kontext
keine Seltenheit. Derzeit werden neben Armin Wertz mindestens sechs
weitere ausländische Journalisten in Syrien vermisst: die Franzosen
Didier François und Edouard Elias (beide Europe 1), der Italiener
Domenico Quirico (La Stampa), die US-Reporter James Foley (Global
Post) und Austin Tice (Washington Post u.a.) sowie der Jordanier
Bashar Fahmi Al-Kadumi (Al-Hurra TV).
Auch zahlreiche einheimische Journalisten befinden sich in der
Gewalt einer der Konfliktparteien oder werden vermisst, darunter
Shaza Al-Madad (Baladna, Al-Watan u.a.), der Karikaturist Akram
Raslan (Al-Fida) und Malek Abu Al-Kheir (Orient TV). Nach wie vor
verschollen ist auch Mazen Darwish, der Gründer und Präsident des
Syrischen Zentrums für Medien und Meinungsfreiheit (SCM), das über
die Situation von Journalisten im Land berichtete. Er wird an
unbekanntem Ort festgehalten, seit Sicherheitskräfte am 16. Februar
2012 das SCM-Büro stürmten und Darwish sowie mehrere seiner
Mitarbeiter verhafteten. (http://bit.ly/14aM5sp)
Syrien gehört infolge des anhaltenden Bürgerkriegs zu den
gefährlichsten Ländern weltweit für Journalisten. Seit Beginn des
Aufstands gegen das Regime von Präsident Baschar al-Assad im März
2011 sind dort mindestens 24 Journalisten sowie 60 Blogger und
Bürgerjournalisten wegen ihrer Arbeit getötet worden.
Besonders prekär ist die Situation für freie Journalisten: Im
Krisenfall können sie meist nicht auf denselben organisatorischen und
finanziellen Rückhalt ihrer Auftraggeber hoffen wie ihre
festangestellten Kollegen. (http://bit.ly/14FzBLC) Obwohl die
derzeitige Lage in Syrien selbst für erfahrene Kriegsreporter äußerst
unübersichtlich ist, reisen immer wieder schlecht vorbereitete junge
Journalisten und Fotografen in das Kriegsland. (http://bit.ly/SHvAB6,
http://bit.ly/15aHR5j) ROG appelliert deshalb an alle Journalisten,
nur nach sorgfältiger Abwägung der Risiken und mit angemessener
Vorbereitung und Ausrüstung nach Syrien zu reisen.
Auf der ROG-Rangliste der Pressefreiheit steht Syrien auf Platz
176 von 179 Ländern - noch schlimmer ist die Lage nur in
Turkmenistan, Nordkorea und Eritrea. Den syrischen Präsidenten
Baschar al-Assad sowie die Dschihadistengruppe Al-Nusra-Front zählt
ROG zu den schlimmsten Feinden der Pressefreiheit weltweit
(http://bit.ly/106E3Me). Aktuelle Meldungen zur Situation von
Journalisten und Medien in Syrien finden Sie unter
http://en.rsf.org/syria.html.
Pressekontakt:
Reporter ohne Grenzen
Ulrike Gruska / Christoph Dreyer
presse(at)reporter-ohne-grenzen.de
www.reporter-ohne-grenzen.de
T: +49 (0)30 60 98 95 33-55