(ots) - Da ist er also, der neue Siemens-Chef. Unter
blauem Himmel veranstaltet Siemens an diesem Tag die Pressekonferenz,
die die Bilder liefert für die Fernsehanstalten zu der chaotischen
Stabübergabe von Peter Löscher an seinen Nachfolger. Als Joe Kaeser
den Innenhof der Siemens-Zentrale betritt, macht sich beim Beobachter
ein leichtes Erstaunen breit - tatsächlich, es ist nur der
altbekannte Finanzvorstand von Siemens, der da ans Pult tritt.
Angesichts der vielen Forderungen an den Löscher-Nachfolger, die
Investoren wie Gewerkschaftler in den Stunden vor diesem Auftritt
formuliert hatten, hätte man eigentlich das Erscheinen einer
eierlegenden Wollmilchsau erwartet.
Damit ist das Konfliktfeld umrissen, in dem der 56-jährige Bayer
fortan agiert. Er muss, bitteschön, das Unternehmen befrieden und gut
mit dem Aufsichtsrat auskommen. Frisch dem Vorstandsgremium
entstiegen, soll er - dort einst als Finanzexperte mit der Peitsche
unterwegs - die Kollegen in kooperative Partner verwandeln. Für die
Arbeitnehmer möge er den kurzfristig getriebenen Margendruck
abschaffen und zugleich den Investoren ein schlankeres Unternehmen
verschaffen. Ach, klar, und bei den Kunden sollte er auch ein gutes
Bild abgeben.
Geht's noch?
Nach dem Auftritt Kaesers ist man geneigt zu antworten: Vielleicht
geht es sogar. Denn der Niederbayer hat mit einer inhaltlich starken
Rede seine Fähigkeit zum Integrieren unterschiedlicher
Interessenlagen angedeutet - ohne sich ungebührliche Versprechungen
entlocken zu lassen. Seine Warnung, er werde es nicht allen recht
machen können, richtete sich primär an die Beschäftigten. Sie gilt
aber auch für den Kapitalmarkt, der allzu häufig auf kurzfristige
Lösungen schielt und diese auch lauthals einfordert.
Zuversichtlich stimmt darüber hinaus ein weiterer Aspekt, den
Kaeser in seiner Rede herausstrich. An erster Stelle rangieren
künftig bei Siemens nicht mehr die strategischen Konzeptionen in
glänzenden Papieren mit hübschen Diagrammen. Vielmehr sieht Kaeser
als Schlüssel zum Erfolg, dass Siemens bei Siemens wieder über allem
stehen muss. Dies ist nicht trivial: Erstens fordert er
Identifikation ein, zweitens einen hohen Arbeitseinsatz. Seine
Aufgabe wird sein, dies auch in der Breite durchzusetzen.
Kaeser sieht sich selbst, wenngleich schon seit 33 Jahren bei dem
Konzern an Bord, an einem neuen Start. Dies gilt auch für Siemens.
Der Konzern muss sein Selbstbewusstsein zurückgewinnen. Nur dann ist
der Kampf mit der Konkurrenz zu gewinnen.
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