(ots) - Tief gespalten
War es ein Schauprozess, um fast 300 unliebsame Generäle,
Journalisten und Politiker hinter Gitter zu bringen? Oder stellten
die angeblichen Putsch-Pläne der "Ergenekon"-Verschwörung eine reale
Gefahr für Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und die Demokratie
in der Türkei dar?
Diese Fragen werden die Spaltung des Landes weiter vertiefen.
Seltsam muten die harten Urteile gleichwohl an. Die Vorstellung fällt
schwer, dass vor fünf Jahren gleich Hunderte eine geheime
Verschwörung geplant haben sollen. Plausibler wäre es, wenn der Kreis
der Eingeweihten klein gehalten worden wäre. Und dass sich
Nationalisten mit Linken für einen Umsturzversuch zusammengetan haben
sollen, klingt ebenfalls ungewöhnlich.
Der Verschwörungsprozess ist ein Symbol für die innere
Zerrissenheit der Türkei. Seit Wochen stehen sich die Lager bei
Massenkundgebungen unversöhnlich gegenüber: hier die
Erdogan-Bewegung, die nach zahlreichen Wahlsiegen für einen stark
religiös geprägten Staat kämpft. Dort die Opposition, die eine
schleichende Islamisierung befürchtet. Zwischen den Fronten gibt es
kaum noch jemanden, der vermitteln kann.
Auffällig ist, dass die EU zu den ganzen Vorgängen schweigt. Oder
hat Brüssel erkannt, dass eine Türkei-Mitgliedschaft in weite Ferne
gerückt ist? Das harte Vorgehen Erdogans passt jedenfalls nicht zu
den europäischen Idealen.
Michael Clasen
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