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Gabriela ist zehn Jahre alt. Sie stammt aus einem kleinen
indigenen Dorf im mexikanischen Bundesstaat Guerrero. Ihre Familie
war so arm, dass sie die vier Kinder nicht ernähren konnte. So kamen
sie im Februar 2012 ins Kinderdorf von nuestros pequeños hermanos
(nph) in Mexiko. Gabriela ist eine von weltweit 350 bis 400 Millionen
Menschen, die einem der rund 5.000 indigenen Völker in 75 Staaten
angehören. Eines haben indigene Völker auf der ganzen Welt gemein:
Die Erfahrung von Unterdrückung, Diskriminierung und oft auch großer
Armut. Seit 1995 gilt der 9. August als Tag der indigenen Völker.
Dieser Gedenktag bietet Gelegenheit auf die Probleme der indigenen
Bevölkerungsgruppen aufmerksam zu machen.
Bolivien hat den ersten indigenen Präsidenten Lateinamerikas
In Lateinamerika gibt es über 400 ethnische Gruppen und Völker und
917 gesprochene indigene Sprachen. Besonders hoch ist der prozentuale
Anteil der indigenen Bevölkerung in Bolivien, Guatemala, Peru und
Ecuador. Die Mehrheit der Indigenen lebt als Kleinbauern in extremer
Armut. Dies gilt vor allem für die ländliche Bevölkerung. In Bolivien
gelten rund 50 Prozent der Bevölkerung als arm, zwei Drittel davon
sind indigene Völker. Und das, obwohl Bolivien als erstes
lateinamerikanische Land einen indigenen Präsidenten hat. Seit 2006
ist Evo Morales Präsident des Landes. Nach einem guten Start seiner
Amtszeit, setzte der Präsident einige Vorhaben um, die der indigenen
Bevölkerung zu Gute kamen. So setzte er sich für eine
Verfassungsänderung ein, die indigenen Völkern zum ersten Mal
weitgehende Rechte übertrug. Doch seit 2010 hat sich seine Politik
verändert: Bolivien wurde offener für ausländische Investoren, die
vor allem an den Rohstoffvorkommen des Landes interessiert sind. Bei
Abkommen zwischen der Regierung und den Unternehmen wurde seither oft
das Recht auf Mitsprache der indigenen Gruppen übergangen.
Die Rechte der Indigenen werden oft mit Füßen getreten
Die größten Konflikte zwischen den Regierungen und den indigenen
Völkern in Lateinamerika bestehen im Zusammenhang mit der Umwelt und
dem Lebensraum. Der Lebensraum der indigenen Völker fällt zunehmend
den Bauprojekten und Erdölbohrungen der Konzerne zum Opfer. "Schon
zur Zeit der Unabhängigkeitserklärung war eine der Bedingungen der
spanischen Krone, den Indigenen das Recht auf ihr Land zu gewähren",
sagt Arturo Castro-Frenzel. Der Deutsch-Nicaraguaner lebt seit 1981
in Berlin und hat selbst indigene Wurzeln. Theoretisch werden zwar
wohlmeinende Absichten erklärt und die Kultur der Indigenen
anerkannt, doch in der Praxis findet diese Anerkennung oft wenig
Beachtung. Ein Beispiel dafür ist die Tatsache, dass in vielen
Staaten die Deklaration 169 der Internationalen Arbeitsorganisation
(ILO), einfach umgangen wird. Sie ist die einzige internationale
Norm, die indigenen Völkern Grundrechte garantiert. Die Norm wurde
1989 von der Generalversammlung der ILO verabschiedet und bis heute
haben nur 22 Staaten, darunter Bolivien und Brasilien, unterzeichnet.
Eines der Grundrechte aus der Deklaration 169 gewährleistet "die
Mitbestimmung über die Nutzung natürlicher Ressourcen". Dass dies in
der Praxis wenig beachtet wird, zeigt sich am Bau des
Belo-Monte-Staudamms in Brasilien. Durch den Bau des Staudamms
werden, Fachleuten zufolge, bis zu 40.000 Menschen vertrieben. Dazu
zählen Flussanwohner, Indigene und Kleinbauern ebenso wie Bewohner
der Armenviertel in der Stadt Altamira. Die Indigenen wurden bei der
Entscheidung zum Bau des Staudamms trotz eines bestehenden Gesetzes
übergangen.
Indigener Widerstand hat eine lange Tradition
Seit den 1990er Jahren gehören indigene Bewegungen zu den
wichtigsten sozialen Bewegungen. Doch der Widerstand hat eine viel
längere Tradition. Er ist seit der Kolonialisierung vor mehr als 500
Jahren ein ständiger Begleiter des politischen Geschehens in
Lateinamerika. Mit Unterstützung von internationalen
Nichtregierungsorganisationen organisieren indigene Bewegungen
Protest, Besetzungen, setzen sich für die Demokratisierung und gegen
neoliberale ökonomische Strukturen ein. Die Proteste bringen die
indigenen Bewegungen immer öfter in Konflikt mit dem Gesetz, obwohl
sie ihr Land und dessen Bodenschätze verteidigen. Die
Interamerikanische Kommission für Menschenrechte (CIDH) spricht in
diesen Fällen von einer systematischen Kriminalisierung.
Eine indigene Herkunft ist oft mit Vorurteilen verbunden
"Indio ist ein weitverbreitetes Schimpfwort in Lateinamerika",
sagt Castro-Frenzel. Indigene in Lateinamerika wird oft mit
Vorurteilen begegnet. Deshalb ist es auch für die meisten indigenen
Kinder nicht leicht in ein Kinderdorf zu kommen - vor allem, wenn sie
kein Spanisch sprechen. Um das Selbstbewusstsein dieser Kinder zu
stärken und Vorurteile abzubauen, lässt nph keine Gelegenheit aus, um
die indigene Kultur zu pflegen. Im Kinderdorf von nph in Honduras
beispielsweise wird in jedem Jahr am 20. Juli der "dia de indio", der
Tag der Indigenen, gefeiert: mit Tänzen, speziellen Gerichten und
durch die Aufführung der Geschichte des Landes. Das hilft dabei
Vorurteile zu beseitigen, fördert das Verständnis der Kinder
untereinander und stärkt den Zusammenhalt.
nuestros pequeños hermanos ist ein christliches Kinderhilfswerk,
das Not leidende Kinder in Lateinamerika fördert und ihnen eine gute
Zukunft schenkt. nph hat in neun Ländern in Lateinamerika
Kinderdörfer, Schulen, Ausbildungswerkstätten sowie medizinische und
therapeutische Einrichtungen aufgebaut. 3.400 Mädchen und Jungen
haben in den Kinderdörfern eine neue Familie gefunden, weitere mehr
als 100.000 Bedürftige erhalten humanitäre Hilfe.
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Dagmar Schneider
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