(ots) - DUH beantragt Wiederaufnahme des Verfahrens zur
Akteneinsicht im Zusammenhang mit der Novelle der
PKW-Energiekennzeichnung - Wirtschaftsminister Rösler will
Veröffentlichung offenbar über die Bundestagswahl hinaus verzögern
Nachdem der Europäische Gerichtshof den Anspruch der Deutschen
Umwelthilfe e.V. (DUH) auf Einsichtnahme in interne Akten des
Bundeswirtschaftsministeriums bestätigt hat, fordert die
Umweltorganisation Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) nun auf,
dem Spruch des höchsten europäischen Gerichts unverzüglich Folge zu
leisten. Die DUH erhofft sich von den Akten einen Einblick in Details
der Einflussnahme der Autolobby auf Röslers Amtsvorgänger, den
heutigen FDP-Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl Rainer
Brüderle. Das noch ausstehende Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin,
das den EuGH in dem Verfahren um Entscheidungshilfe gebeten hatte,
sei nur noch Formsache. Vom Spruch des EuGH könne und werde das VG
Berlin nicht mehr abweichen.
Am vergangenen Freitag beantragte der Berliner Rechtsanwalt Dr.
Remo Klinger, der die DUH in dem Rechtsstreit vertritt, die
Wiederaufnahme des Verfahrens beim Verwaltungsgericht Berlin.
DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch forderte Rösler in einem
Schreiben persönlich auf, unverzüglich die einzig mögliche Konsequenz
aus dem EuGH-Urteil zu ziehen und die Archive für die DUH zu öffnen.
Resch: "Die jahrelange Verweigerung der Akteneinsicht war von
Anfang an europarechtswidrig. Jeder Tag, der nun noch vergeht, bevor
Herr Rösler dem Spruch des EuGH nachkommt, nährt nur den Verdacht,
dass das Ausmaß der Einflussnahme der Autolobby und die
Willfährigkeit von Röslers Amtsvorgänger Brüderle auf keinen Fall vor
dem Wahltag am 22. September bekannt werden sollen. Die DUH fordert
nun die sofortige Offenlegung."
Der DUH-Bundesgeschäftsführer verwies darauf, dass das
Bundesumweltministerium gegenüber der Presse unmittelbar nach
Bekanntwerden des EuGH-Urteils angekündigt hatte, das deutsche
Umweltinformationsgesetz (UIG) zeitnah novellieren zu wollen, so dass
es mit der entsprechenden EU-Richtlinie in Einklang komme. Außerdem
solle das vom EuGH für rechtswidrig erklärte deutsche UIG ab sofort
nicht mehr in der gegen EU-Recht verstoßenden Form angewandt werden.
Konkret geht es in dem Rechtstreit um die andauernde Weigerung der
FDP-Wirtschaftsminister Rainer Brüderle und Philipp Rösler, das
Zustandekommen einer Novelle der
Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung (PKW-EnVKV) offen zu
legen. Die Ausgestaltung der Rechtsverordnung hatte 2010 bundesweit
für Kopfschütteln gesorgt, weil auf ihrer Grundlage schwere
spritdurstige Limousinen wie der Audi Q7 in eine bessere
Effizienzklasse eingestuft wurden als Kleinwagen wie der Smart oder
der Fiat Panda. Dafür sorgte eine spezielle, auf das Fahrzeuggewicht
bezogene Systematik bei der Einteilung der Effizienzklassen, die
schwere Fahrzeuge massiv bevorzugt und auf die sich der damalige
Bundeswirtschaftsminister und heutige FDP-Spitzenkandidat Rainer
Brüderle nach eigenen Angaben vorab mit den deutschen
Automobilherstellern verständigt hatte. Die DUH verlangt seither
Einsicht in die Akten des BMWi, die Aufschluss über die internen
Absprachen mit der Autolobby geben können. "Sowohl der Inhalt als
auch die Art des Zustandekommens dieser Verordnung lassen vermuten,
dass dem damaligen Wirtschaftsminister die Hand durch die
Automobilindustrie geführt wurde. Aus den nun offen zu legenden Akten
versprechen wir uns tiefgreifende Erkenntnisse über die Arbeitsweise
der Raubtierlobbyisten der Automobilindustrie bei ihrer
Politikberatung", so Resch.
Die FDP-Politiker weigerten sich, den Umweltschützern die erbetene
Akteneinsicht zu gewähren und verwiesen zur Begründung auf das
deutsche Umweltinformationsgesetz (UIG), wonach die Behörden die
Dokumente den Umweltschützern nicht offenbaren müssen, wenn diese im
Zusammenhang mit der Erarbeitung von Gesetzen oder Rechtsverordnungen
erstellt wurden. Die DUH klagte dennoch im Juli 2010 vor dem
Verwaltungsgericht Berlin und stützte sich dabei von Beginn an auf
das Europarecht, mit dem Ziel, die Rechtswidrigkeit der in
Deutschland geltenden gesetzlichen Regelung feststellen zu lassen.
Das VG Berlin legte daraufhin entsprechende Rechtsfragen dem EuGH zur
Entscheidung vor. Dieser entschied nun mit Urteil vom 18. Juli 2013
(Az. C-515/11), dass die deutsche Ausnahmevorschrift gegen das
Unionsrecht verstößt. Behörden, so der EuGH, können nur zum Schutz
des Parlamentsgeheimnisses die Einsicht in ihre Akten verweigern. Der
Schutz greift demnach bei der Erarbeitung von Gesetzen, nicht aber
bei Rechtsverordnungen, die allein von der Exekutive erlassen werden.
Damit weist die Entscheidung des EuGH über den konkreten Fall weit
hinaus, weil große Teile des deutschen Umweltrechts über
Rechtsverordnungen der Verwaltung geregelt werden. In Zukunft können
mächtige Industrielobbys in Deutschland sich nicht mehr darauf
verlassen, dass Details ihrer Einflussnahme auf diese
umweltpolitischen Regelungen vor der Öffentlichkeit verborgen
bleiben.
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Dr. Remo Klinger, Rechtsanwaltskanzlei Geulen & Klinger
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