(ots) -
Wirkliche Reformen sind machbar - Schlüssel liegt im umfassenden
Qualitätswettbewerb - Schluss mit der 5-Minuten-Medizin
Welche Partei nach der Bundestagswahl im September die neue
Regierung auch stellen wird, schon jetzt steht fest, worauf es in den
nächsten Jahren im Gesundheitswesen vorrangig ankommen wird: Es sind
flächendeckend die richtigen strukturellen Voraussetzungen zu
schaffen, um die medizinische Behandlungsqualität zu steigern und die
Versorgung der Patienten zu verbessern. Dazu gilt es,
Investitionshemmnisse bei Direktverträgen abzubauen, und mehr
Wettbewerbselemente einzuführen, die sich positiv auf Qualität und
Nachhaltigkeit der Finanzierung auswirken.
Vor nunmehr fünf Jahren haben die Haus- und Facharztverträge von
AOK, Hausärzteverband und MEDI im Südwesten einen Prozess in Gang
gesetzt, der heute für mehr als 1,1 Millionen Menschen nachweislich
eine neue Qualität in der ambulanten ärztlichen Versorgung bringt.
Die Zeit der Skepsis und des Zauderns gegenüber Innovationen im
Gesundheitswesen sehen die Partner endgültig als beendet an.
Das herkömmliche, zentralistisch gesteuerte
Kollektivvertragssystem dreht sich seit Jahrzehnten im Kreis: Weil
eine fachbereichsübergreifende Koordinierung der Behandlung fehlt,
ist Unter-, Ãœber- oder Fehlversorgung von Patienten die Folge. Hinzu
kommt ein intransparentes Vergütungssystem für die Ärzte, das falsche
Leistungsanreize setzt und mit großem bürokratischem Aufwand für die
Praxen verknüpft ist. Die Vergütung selbst ist oft nicht angemessen
und trägt mit dazu bei, dass angehende Ärzte kaum noch bereit sind,
sich auf dem Land oder in strukturschwachen Stadtteilen
niederzulassen. Schlechte Voraussetzungen, um die ambulante
medizinische Versorgung einer immer älter werdenden Bevölkerung mit
einer steigenden Zahl chronisch kranker Menschen langfristig sicher
zu stellen.
Diesen Problemen begegnen die Vertragspartner im Südwesten seit
fünf Jahren sehr effektiv durch die Entwicklung einer neuen
Versorgungslandschaft, die einer breiten Ärzteschaft die Möglichkeit
zur Teilnahme an Direktverträgen bietet. "Die Zeiten der Skepsis und
des Theoretisierens sind vorbei. Die wirkliche Reform des
Gesundheitswesens ist überfällig und sie ist machbar. Wir liefern den
Beweis: Denn die von uns konsequent und gemeinsam betriebene
Ausrichtung auf Qualität, Wettbewerb und Wirtschaftlichkeit zeigt den
Weg aus der Sackgasse des Altsystems", so Dr. Christopher Hermann,
Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg, am Dienstag
(13.08.2013) in Berlin. Die negativen Folgen von Fehlsteuerung und
falschen Anreiz-Systemen seien schleichend, deshalb müsse jetzt an
den wirklich wichtigen Punkten Stopp gesagt und Veränderungen
vorgenommen werden.
Hermann: "Wir brauchen im Herbst nach der Wahl dringend einen
gesundheitspolitischen Ruck, der durchs Land geht und den Patienten
dorthin rückt, wo er hin gehört: in den Mittelpunkt des Geschehens.
Dafür ist ein wettbewerblich orientiertes, solidarisches
Versorgungssystem unabdingbar." Durch die Verträge sei genau dies im
Südwesten mit einer hohen Zufriedenheit von Patienten und Ärzten
entstanden. "Der Verlauf unseres Wegs zeigt jetzt in Richtung
Krankenhäuser: Bis 2015 wollen wir eine neue ambulante und stationäre
Vollversorgung unseren Versicherten anbieten können", bestätigt der
AOK-Chef.
Die Verträge in Baden-Württemberg geben rund 3500 teilnehmenden
Hausärzten und knapp 1000 Fachärzten eine neue berufliche
Perspektive: durch ein angemessenes und planbares Honorar -
mindestens 30 Prozent mehr Vergütung können teilnehmende Haus- und
Fachärzte im Durchschnitt für sich verbuchen - aber auch durch
erhöhte Arbeitszufriedenheit. Denn weniger Bürokratie und eine
einfachere Abrechnung bringen dem Arzt eine Zeitersparnis, die den
Patienten spürbar zugute kommt. "Der neue EBM hingegen wird das
Hamsterrad bei den Ärzten noch stärker in eine unerwünschte Richtung
beschleunigen", fasst Dr. Berthold Dietsche, Vorsitzender des
Hausärzteverbandes Baden-Württemberg, zusammen. "Er drängt die zu
Recht kritisierte 5-Minuten-Medizin eher in Richtung einer
3-4-Minuten-Medizin mit der Folge, dass der Arzt dem Patienten noch
weniger als bisher zur Verfügung stehen wird." Demgegenüber bringt
der Hausarztvertrag erhebliche Vorteile. Dietsche: "Durch die
Hausarztverträge werden die Arbeitsbedingungen deutlich verbessert
und das Berufsbild des Hausarztes enorm aufgewertet: Der Arzt hat vor
allem wieder die Zeit, sich um seine Patienten zu kümmern. Auch der
Praxiswert steigt nachhaltig: Hausärzte, die an Hausarztverträgen
teilnehmen, finden leichter Nachfolger für ihre Praxen."
Freie Direktverträge, die eine fachbereichsübergreifende
Versorgung auf Basis einer geregelten Koordination durch Hausärzte
umsetzen, führen auf Bundesebene weiterhin ein Schattendasein. Und
auch dem notwendigen Ausbau dieser neuen Art an Versorgungsgestaltung
stehen rechtliche Schranken im zentralistischen Gesundheitswesen
entgegen. Vor allem hemmt die sogenannte Refinanzierungsklausel (§
73b SGB V) die Ausbreitung von Hausarztverträgen, weil sie die
Notwendigkeit eines wirtschaftlichen Nachweises vom Start weg
fordert. "Es ist gegen jegliche Wirtschaftspraxis, bei der
Investition schon den Erfolg getätigter Investitionen nachweisen zu
können. Direktverträge sind eine langfristige Investition, die den
wirtschaftlichen Erfolg Schritt für Schritt einfährt", so Hermann.
"Dies alles lässt die Klausel völlig außer Acht, wenn darin eine -
ohnehin nicht realisierbare - exakte Vorab-Bewertung des
kurzfristigen Einsparpotenzials zur Gegenfinanzierung höherer
Arzthonorare gefordert wird. "Diese Klausel behindert Innovationen
und muss weg. Sie ist Gift für Investitionen und Fortschritt in
unserem Versorgungssystem", kritisiert er.
Die Vertragspartner im Südwesten fordern auch die Beibehaltung der
Pflicht für die Kassen, Hausarztverträge anzubieten. Darüber hinaus
sollten auch Facharztverträge nach § 73c SGB V verpflichtend für die
Krankenkassen werden. "Es braucht hier offensichtlich den Druck des
Gesetzgebers. Dabei weiß man mittlerweile: Nur durch aufeinander
abgestimmte Hausarzt- und Facharztverträge entsteht ein schlüssiges
Versorgungskonzept - insbesondere für die chronisch kranken
Patienten, deren Zahl stetig zunimmt", erklärt Dr. Werner
Baumgärtner, Vorsitzender von MEDI Baden-Württemberg. "Erst durch
eine abgestimmte Aufgabenverteilung zwischen Haus- und Fachärzten
wird eine bessere und wirtschaftlichere ambulante Vollversorgung
möglich." Gleichzeitig sei eine gesetzliche bürokratiearme
Bereinigungsregelung notwendig.
"In keinem anderen Bereich werden Spielregeln für den Übergang zu
einer Wettbewerbsordnung von Altmonopolisten selbst aufgestellt; sie
können kein Interesse daran haben, dass der neue Wettbewerb auch
funktioniert", stellt Baumgärtner fest. "Genau das ist aber hier
passiert. Der Gesetzgeber ist daher dringend aufgefordert, für eine
rechtssichere und faire Regelung zu sorgen."
Pressekontakt:
Ansprechpartner AOK Baden-Württemberg:
Kurt Wesselsky (Pressesprecher)
Telefon: 0711 2593-231
kurt.wesselsky(at)bw.aok.de
Ansprechpartner Hausärzteverband Baden-Württemberg:
Manfred King (Leiter Öffentlichkeitsarbeit)
Telefon: 0172 201 0390
manfred.king(at)hausaerzteverband.de
Ansprechpartner MEDI Baden-Württemberg:
Angelina Schütz (Pressesprecherin)
Telefon: 0711 806079-223
schuetz(at)medi-verbund.de