(ots) - Großzügige Regelung der Bundesregierung kostet
private Stromverbraucher und Mittelstand dieses Jahr fast fünf, im
nächsten Jahr bis über sieben Milliarden Euro - Energieintensive
Industrie profitiert im internationalen Wettbewerb von Energiewende
Die Kosten für die von der Bundesregierung ausgeweitete Befreiung
energieintensiver Unternehmen von der EEG-Umlage laufen aus dem
Ruder. Nach 2,7 Milliarden Euro im Jahr 2012 und fast 5 Milliarden im
laufenden Jahr, können die von der Industrie eingesparten Stromkosten
2014 schon deutlich über die 7 Milliarden Euro Marke steigen. Das
wäre der Fall, wenn die bei der zuständigen Bundesanstalt für
Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) beantragten Befreiungen von
der Umlage alle genehmigt würden. Die Einsparungen der einen sind die
Kosten der anderen: Für die Milliardensummen aufkommen müssen alle
nicht-privilegierten Stromverbraucher. Die neuen Zahlen sind Teil
einer umfangreichen Analyse der Deutschen Umwelthilfe e.V. zur
laufenden Strompreisdiskussion. Demnach würden 2014 bei einer
nationalen Bruttostromerzeugung von insgesamt etwa 600
Terawattstunden (TWh, Milliarden kWh) schon 120 TWh privilegiert.
Dabei ist die Befreiung von der Ökostrom-Umlage nur ein Baustein in
einem opulenten Privilegierungsgebäude, mit dem die Bundesregierung
die energieintensive Industrie angeblich vor Wettbewerbsnachteilen
schützen will und das die Stromverbraucher und Steuerzahler weit über
10 Milliarden Euro pro Jahr kostet.
"Die Bundesregierung hat in ihrer Industrie-Förderpolitik jedes
Maß verloren. Mit einer solidarischen Finanzierung der Energiewende
oder dem von Klaus Töpfer geforderten Gemeinschaftswerk hat das
nichts mehr zu tun. Wer die immer noch überwältigende Zustimmung zur
Umstellung unseres Energiesystems hin zu Erneuerbaren Energien
mutwillig aufs Spiel setzen will, muss sich genau so verhalten, wie
es FDP und Union gerade tun", sagt DUH-Geschäftsführer Michael
Spielmann. Die Entlastungen der Industrie auf Kosten aller anderen
Stromverbraucher müssten weit zurückgefahren und insbesondere "in
jedem Einzelfall davon abhängig gemacht werden, dass Unternehmen, die
entlastet werden wollen, eigene Beiträge zur Energiewende, zum
Beispiel durch Umsetzung von Effizienz- und Energiesparmaßnahmen im
eigenen Betrieb nachweisen."
Spielmann wies darauf hin, dass es für die von Teilen der
Wirtschaft und den Gegnern der Energiewende im Regierungslager
behauptete Bedrohung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Betriebe
durch die Energiewende "keinen einzigen volkswirtschaftlich
tragfähigen Hinweis" gebe. Der Handelsüberschuss aus diesem angeblich
unter hohen Industriestrompreisen ächzenden Land habe im vergangenen
Jahr mit 188 Milliarden Euro und über sieben Prozent des BIP den
zweithöchsten Wert seit 1950 erreicht und werde dieses Jahr weiter
wachsen. Weil die Überschüsse der einen immer die Krisenschulden der
anderen seien, werde die deutsche Wirtschaft im Ausland eher als zu
dominant wahrgenommen.
Spielmann wies darauf hin, dass es unter den nicht-privilegierten
Stromverbrauchern tatsächlich in Deutschland "begrenzte Problemzonen"
gebe. Bedürftige Haushalte einerseits und kleinere energieintensive
Unternehmen andererseits würden tatsächlich von steigenden
Strompreisen weit überdurchschnittlich belastet. Hier müsse die
nächste Bundesregierung endlich dafür sorgen, dass Stromversorger die
wegen der Einspeisung von immer mehr erneuerbarem Strom sinkenden
Strombeschaffungskosten so schnell an ihre Kunden weitergeben, wie
sie es bei steigenden Kosten gewohnt seien. Auch müssten entstehende
Härten in bedürftigen Haushalten sozialpolitisch aufgefangen werden.
Jürgen Quentin, Projektleiter Klimaschutz und Energiewende der
DUH, erläuterte dass "wegen der umfassenden Fürsorge, mit der sich
die Bundesregierung den energieintensiven Betrieben in den
vergangenen Jahren gewidmet hat, deren Wettbewerbsfähigkeit auf den
internationalen Märkten zu- und nicht abgenommen hat". Für das
"dauernde Gerede von der Deindustrialisierung Deutschlands" gebe es
auf der Faktenebene keinerlei Begründung. Im Gegensatz zu den
Strompreisen der privaten Verbraucher seien die der privilegierten
Wirtschaft gleich geblieben oder gesunken, während Detailanalysen
zeigten, dass in den meisten EU-Ländern ein Anstieg zu verzeichnen
sei. "Deutschland liegt seit Jahrzehnten bei den
Industriestrompreisen EU-weit im oberen Drittel, aber seit den
Energiewendebeschlüssen gibt es im Wesentlichen nur eine Richtung.
Nach unten." Das zeige beispielsweis der Strompreisindex des Verbands
Industrieller Energie- und Kraftwirtschaft (VIK), der seit zwei
Jahren sinke und derzeit exakt das Niveau des Jahres 2005 aufweise.
"Es ist schon merkwürdig: Während der VIK-Strompreisindex monatlich
sinkt, jammert der Verband, der ihn erstellt, fast wöchentlich über
zu hohe Strompreise."
Selbst von der angeblichen Bedrohung durch die wegen Shalegas-Boom
und billigem Strom wieder erwachende Wirtschaftsmacht USA bleibe nach
einer genaueren Analyse der dortigen Großhandelspreise für Strom
wenig übrig. Zwar seien die Strompreise in den USA traditionell
niedriger als hierzulande. Weil sie aber in jüngster Zeit im Mittel
nicht stärker gesunken seien als die privilegierten
Industriestrompreise in Deutschland, gebe es keine Verschiebung der
Wettbewerbsfähigkeit, die irgendjemanden ängstigen müsse. Quentin
erinnerte daran, "dass die Kehrseite des günstigeren Stroms in vielen
Regionen der USA von jeher der beklagenswerte Zustand der dortigen
Stromnetze ist." Wenn in Deutschland der Strom pro Jahr
durchschnittlich 15 Minuten ausfalle und in den USA zehn- bis
dreißigmal so lange, so sei auch dies ein (Kosten-)Faktor, der bei
der Standortwahl von Unternehmen eine Rolle spiele.
Das Hintergrundpapier zur Pressekonferenz finden Sie unter
http://l.duh.de/fj4a9
Pressekontakt:
Michael Spielmann, Bundesgeschäftsführer
Tel.: 0302400867-0; Mobil: 016090914431; E-Mail: spielmann(at)duh.de
Jürgen Quentin, Projektleiter Klimaschutz und Energiewende
Tel.: 0302400867-95; Mobil: 015114563676; E-Mail: quentin(at)duh.de
Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik & Presse
Tel.: 0302400867-0; Mobil: 01715660577; E-Mail: rosenkranz(at)duh.de