(ots) -
Die Monitoring-Stelle zur UN-Behindertenrechtskonvention hat den
Gesetzgeber aufgefordert, die deutsche Rechtslage und die
Rechtspraxis hinsichtlich der rechtlichen Handlungsfähigkeit von
Menschen mit Behinderungen zu überprüfen. "Die
UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet den Staat, Menschen mit
Behinderungen auf ihren Wunsch hin beim Handeln und in der
Vorbereitung der persönlichen Entscheidung zu unterstützen", erklärte
Valentin Aichele, Leiter der Monitoring-Stelle zur
UN-Behindertenrechtskonvention, anlässlich der Veröffentlichung des
Sammelbandes zu "Gleichheit vor dem Recht".
Der Gesetzgeber habe die Verpflichtung, die rechtliche
Selbstbestimmung behinderter Menschen durch geeignete Maßnahmen zu
stärken, insbesondere Unterstützungsansätze offensiv zu fördern, die
gleichzeitig vor Fremdbestimmung schützten. Damit gebe die
UN-Behindertenrechtskonvention ein Modell der assistierten
Handlungsfähigkeit in rechtlichen Angelegenheiten vor, das Betreuung
und Soziale Arbeit praktisch vor sehr große Herausforderungen stelle.
"Vor allem Menschen mit geistiger oder psychosozialer Behinderung
erfahren mehr Einschränkungen im rechtlichen Handeln als nicht
behinderte Menschen", sagte Aichele. Als Beispiel nannte er die
Stellvertretung im Betreuungsrecht. Da in der Praxis auch nach 20
Jahren immer noch in spezifischen Situationen stellvertretend für
Menschen mit Behinderungen gehandelt werde, wo dies nicht
erforderlich sei, müsse die Frage aufgeworfen werden, ob die
rechtlichen Vorgaben hinreichend entwickelt seien, so Aichele. "Eine
unzulässige Einschränkung der Selbstbestimmung durch Stellvertretung
stellt ein Ãœberbleibsel der Vormundschaft dar, die dringend
überwunden werden muss", so Aichele.
Ein zweites Beispiel sei das Wahlrecht etwa nach dem
Bundeswahlgesetz. Das deutsche Recht schließe "Vollbetreute" und in
der forensischen Psychiatrie untergebrachte Menschen von der
Bundestagswahl aus, was als menschenrechtliche Diskriminierung zu
werten sei. Die gesetzlichen Ausschlüsse verstießen nicht nur gegen
das Grundgesetz, sondern auch gegen das Recht auf politische
Partizipation und seien abzuschaffen.
Der vom Deutschen Institut für Menschenrechte herausgegebene
Sammelband umfasst Autorenbeiträge, die das deutsche Recht, seine
Begründungen und seine Praxis im Licht des Artikels 12 der
UN-Behindertenrechtskonvention (Recht auf gleiche Anerkennung vor dem
Recht) prüfen. Die Expertinnen und Experten blicken dabei auf
menschenrechtssensible Bereiche, in denen die deutsche Rechtsordnung
Menschen mit Behinderungen anders behandelt als nicht behinderte, und
zeigen Handlungsbedarfe für Politik und Gesetzgebung auf.
Valentin Aichele (Hrsg.): Das Menschenrecht auf gleiche
Anerkennung vor dem Recht. Artikel 12 der
UN-Behindertenrechtskonvention. Nomos Verlag, 2013. ISBN
978-3-8329-7153-3. http://www.nomos-shop.de/14309
Interview mit Dr. Valentin Aichele:
http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/
Die Monitoring-Stelle zur UN-Behindertenrechtskonvention,
eingerichtet im unabhängigen Deutschen Institut für Menschenrechte in
Berlin, hat gemäß der UN-Behindertenrechtskonvention den Auftrag, die
Rechte von Menschen mit Behinderungen im Sinne der Konvention zu
fördern und zu schützen sowie die Umsetzung der Konvention in
Deutschland zu überwachen.
Pressekontakt:
Ingrid Müller, Öffentlichkeitsarbeit
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