(ots) -
Viele Unternehmen lehnen Jugendliche mit Hauptschulabschluss von
vornherein ab, dabei zahlt sich deren Ausbildung besonders aus: durch
lange Betriebszugehörigkeit und hohe Loyalität / Neue Studie von
Vodafone Stiftung und Stiftung Neue Verantwortung gibt
Handlungsempfehlungen für Unternehmen und Politik / Unternehmen
sollen nicht nur auf Noten schauen, sondern Jugendlichen Chancen
durch Probearbeit geben und ihnen Mentoren zur Seite stellen /
Politik muss Berufsschulen reformieren und Berufsorientierung
erleichtern etwa durch Praxislernen und Bündelung von Berufsbildern
Kurz vor Beginn des Ausbildungsjahres sucht die Wirtschaft noch
146.000 neue Lehrlinge - das sind mehr offene Stellen als im Vorjahr,
obwohl es mehr Bewerber gibt. Doch viele Unternehmen ziehen eine
Gruppe gar nicht in Betracht: Jugendliche mit Hauptschulabschluss.
Dabei lohnt es sich für Betriebe besonders, diese jungen Menschen
auszubilden, wie eine neue Studie zeigt. Denn diese weisen nach ihrer
Lehre eine besonders lange Betriebszugehörigkeit und hohe Loyalität
zu ihrem Arbeitgeber auf. Die Studie, die von der Vodafone Stiftung
und der Stiftung Neue Verantwortung durchgeführt wurde, hat Firmen
untersucht, die bereits erfolgreich Hauptschulabsolventen ausbilden.
"Unternehmen, die schulschwache Bewerber von vornherein ablehnen", so
die Projektleiterin Friederike v. Tiesenhausen, "verwerfen
Rohdiamanten, die zu wertvollen Mitarbeitern werden können".
"In Hauptschülern steckt oft viel mehr Potenzial, als ihr
Abschluss auf den ersten Blick vermuten lässt", sagt Dr. Mark Speich,
Geschäftsführer der Vodafone Stiftung Deutschland. "Unsere Studie
macht deutlich, wie sehr die Wirtschaft davon profitieren könnte,
wenn sie sich bei der Suche nach Auszubildenden stärker für diese
Gruppe öffnen würde." Deshalb solle die Studie den Unternehmen und
der Politik Anregungen zur Lösung des Problems geben.
Unternehmen sollen Jugendliche probearbeiten lassen und eng
betreuen
Zu den Handlungstipps gehört zum Beispiel, bei der Auswahl von
Bewerbern nicht nur auf Zeugnisse zu schauen. Stattdessen sollten die
Unternehmen durch Probearbeit die Motivation und
Leistungsbereitschaft von schulschwachen Jugendlichen testen.
Außerdem sollten die Betriebe jedem Azubi eine Vertrauensperson zur
Seite zu stellen. Durch regelmäßige verpflichtende Treffen mit diesem
Mentor können eventuell auftauchende Probleme frühzeitig ausgeräumt
werden. Denn gerade schulschwache Azubis profitieren von einem
starken Netz von Bezugspersonen.
Auch der Exportschlager "Berufsausbildung" braucht Reformen
Die Duale Ausbildung mag ein Exportschlager sein, doch
ausgerechnet in ihrer deutschen Heimat gehen die Bewerberzahlen
zurück. Schließlich nimmt die Zahl der Jugendlichen insgesamt ab und
zudem will davon ein immer höherer Anteil studieren. Deshalb müssen
Politik und Verbände das Ausbildungssystem jetzt zukunftsfest machen.
Dazu gehören zum Beispiel dringend benötigte Reformen an der
Berufsschule, dem Stiefkind des Bildungssystems. Hier gilt es, durch
bessere Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte und Ausstattung die
vielbeschworene individuelle Förderung möglich zu machen, von der
gerade schulschwache Jugendliche profitieren würden. Außerdem muss
Jugendlichen die Berufsorientierung erleichtert werden. Hierzu
gehören zum Beispiel die Einführung von mehr Praxislernen in der
Schulzeit sowie eine stärkere Bündelung der 345 verschiedenen
Ausbildungsberufe. Dies würde allen Jugendlichen zu Gute kommen,
insbesondere jedoch Hauptschulabsolventen, die Berufsentscheidungen
schon in einem sehr jungen Alter treffen müssen.
Hauptschüler gegen den Fachkräftemangel
Beide Stiftungen sprechen sich dafür aus, das Thema
Aufstiegschancen zu einem Schwerpunktthema der nächsten
Bundesregierung zu machen. Dabei geht es nicht nur um individuelle,
sondern auch gesamtgesellschaftliche Vorteile. Neben den staatlichen
Akteuren kann hier allerdings auch die Wirtschaft viel bewegen. Und
angesichts der demografischen Entwicklung ist dies mehr denn je in
ihrem ureigenen Interesse. "Die Wirtschaft muss sich vernachlässigten
und ausgegrenzten Talentsegmenten öffnen. Dies schafft nicht nur
soziale Aufstiegschancen, sondern ist auch der Schlüssel zur
Bewältigung des demografisch bedingten Fachkräftemangels", sagt
Thomas Sattelberger, Beirat des Projekts und Themenbotschafter der
Regierungsinitiative "Neue Qualität der Arbeit".
Die ausführliche Studie sowie Filmmaterial und einen Flyer, der
sich direkt an kleinere Unternehmen richtet, finden Sie auf der
Webseite www.wirtschaft-aufstieg.de.
Ausbilder aus den untersuchten Unternehmen über Hauptschüler:
"Bei Hauptschülern haben wir die gute Erfahrung gemacht, dass sie
häufiger nachher bei uns im Betrieb bleiben. Sonst kommt es immer
wieder vor, dass Azubis uns verlassen, studieren oder sich
woandershin bewerben. Wenn die Hauptschüler aber ihre Chance erst mal
begriffen haben, sind sie häufig hoch motiviert und bleiben bei der
Stange."
Volker Grigo, Leiter Talent Management, ThyssenKrupp Steel Europe
AG
"Ein Hauptschulabgänger ist eher darauf ausgerichtet, sich mit
einer Ausbildung eine Grundlage für sein Leben zu schaffen. Die
Einstellung von Hauptschülern ist von der Organisation her erst mal
ein relativ hoher Aufwand - aber die Erfahrung hat gezeigt, dass man
einen Nutzen daraus zieht."
Ronald Zobel, 3-Z-Bildungsgesellschaft mbH im Auftrag der Zapf
Umzüge AG
"Viele Jugendliche, denen Deutsche Post DHL eine Ausbildung
ermöglicht hat, fühlen sich dem Unternehmen anschließend stark
verbunden."
Kathrin Tremel, Koordination der Ausbildungsplanung in
Deutschland, Deutsche Post DHL
"Wir haben einen hohen Bedarf an Fachkräften, die sich über Jahre
eine hohe Fachexpertise aneignen. Aufgrund des Fachkräftemangels
haben wir alle Zielgruppen auf dem Arbeitsmarkt im Blick. Dazu
gehören auch Jugendliche mit Hauptschulabschluss oder ohne
Schulabschluss. Das zeigt sich nicht zuletzt in unserem veränderten
Bewerbungsprozess, in dem nicht mehr nur auf Zeugnisnoten, sondern
auf Kompetenzportfolios gesetzt wird.
Jochen Bothmischel, Leiter Ausbildung Region Ost, Deutsche Bahn AG
"Es ist schön, wenn die jungen Leute mal bei uns bleiben. Uns ist
ein ausgebildeter Hauptschüler lieber als ein Abiturient, der uns
sofort wieder verlässt."
Thomas Wilkens, Leiter Technische Berufsausbildung, Vattenfall in
Hamburg
--- Ãœber die Vodafone Stiftung Deutschland
Die Vodafone Stiftung ist eine der großen unternehmensverbundenen
Stiftungen in Deutschland. Unter dem Leitmotiv "Erkennen. Fördern.
Bewegen." unterstützt die Stiftung als gesellschaftspolitischer Think
Tank insbesondere Programme in den Bereichen Bildung, Integration und
soziale Mobilität mit dem Ziel, Impulse für den gesellschaftlichen
Fortschritt zu geben, die Entwicklungen einer aktiven
Bürgergesellschaft zu fördern und gesellschaftliche Verantwortung zu
übernehmen. Dabei geht es der Stiftung vor allem darum,
benachteiligten Kindern und Jugendlichen den sozialen Aufstieg zu
ermöglichen. Nähere Informationen: www.vodafone-stiftung.de
Ãœber die Stiftung Neue Verantwortung
Die Stiftung Neue Verantwortung ist ein gemeinnütziger,
unabhängiger und überparteilicher Think Tank in Berlin mit einem
Alumni-Netzwerk in ganz Deutschland. Die Stiftung Neue Verantwortung
erarbeitet auf unkonventionellen Wegen pragmatische Lösungsansätze
für drängende gesellschaftliche Herausforderungen und fördert dabei
die Zusammenarbeit zwischen den Sektoren Politik, Wirtschaft,
Wissenschaft und Gesellschaft in Deutschland. Durch ihre Fellow- und
Associateships ermöglicht sie den intensiven Austausch junger
Expertinnen und Experten sowie Praktikerinnen und Praktikern aus
allen Sektoren. Nähere Informationen: www.stiftung-nv.de
Pressekontakt:
Vodafone Stiftung Deutschland gemeinnützige GmbH
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