(ots) - Helmut Kohl lehnte es noch ab, sich als
amtierender Bundeskanzler seinem Herausforderer zu stellen und ihn
auf diese Weise als gleichwertig und gleichrangig anzuerkennen. Doch
sein Nachfolger Gerhard Schröder, ein begnadeter Wahlkämpfer und
Kommunikator, erkannte die Chance, mit einem einzigen Auftritt ein
Millionenpublikum direkt zu erreichen. Seit 2002 gehört das TV-Duell,
das in den USA bereits 1960 eingeführt wurde, auch zum deutschen
Wahlkampf wie das Wahlplakat und die Großkundgebung auf dem
Marktplatz. Fünf TV-Sender übertragen das Duell am morgigen Sonntag
zeitgleich, in der ARD entfällt sogar die Kultsendung "Tatort", um
die 20 Millionen Menschen werden das einzige direkte
Aufeinandertreffen von Angela Merkel und Peer Steinbrück verfolgen.
Die Rollen sind klar verteilt. Hier die Amtsinhaberin, die auch nach
acht Jahren im Amt die populärste Politikerin des Landes ist und die
mit ihrem unaufgeregten, präsidialen Regierungsstil punktet, dort der
Herausforderer, der einen fast schon uneinholbaren Rückstand drehen
und seiner Basis das Gefühl geben muss, dass in den drei Wochen bis
zur Wahl doch noch was geht. Steinbrück muss angreifen, eine Rolle,
die seinem Naturell entspricht, Merkel hingegen wird, wie es ihre Art
ist, seine Attacken freundlich lächelnd ins Leere laufen lassen. Ob
sich daraus allerdings eine wirklich spannende Debatte entwickelt,
ist fraglich, denn das strenge Korsett, das seit dem Jahr 2002 den
Ablauf des Duells regelt, lässt kaum ein spontanes Wortgefecht zu. So
wird es wohl überwiegend beim Austausch der längst bekannten
Positionen bleiben. Viel spricht daher dafür, die Regeln zu lockern,
den beiden Kandidaten mehr Freiheiten zu geben und eine wirkliche
Debatte zuzulassen. 20 Millionen Zuschauer widerlegen die Mär von der
Politikverdrossenheit der Deutschen. Sie sind es wert, in diesen 90
Minuten ein ehrliches Bild über die beiden Menschen zu erhalten, die
an die Macht wollen.
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